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Platine Odroid M1 (seit Frühjahr 2022)

Seit Erscheinen des Raspberry-Modells 4 ist es für andere Platinenhersteller eine echte Herausforderung, zu einem angemessenen Preis ein überzeugendes Konkurrenzprodukt anzubieten. Der neue Odroid M1 will mit Sata-3-Port und NVMe-Slot punkten.

Die Platinenfamilie Odroid des koreanischen Herstellers Hardkernel (www.hardkernel.com) gehört seit Jahren zu den größten Raspberry-Konkurrenten. Die Odroid-Hardware ist robust und in der Regel ausgewogen konzipiert. Das einfache Grundkonzept war schon immer, für etwas mehr Geld mehr Leistung als der gerade aktuelle Raspberry zu liefern oder andere Anschlussmöglichkeiten als dieser. Die bisherige Palette mit Odroid XU4, Odroid HC4, Odroid N2 und Odroid H3 wird neuerdings ergänzt durch die Platine Odroid M1.

Odroid M1: Schnell ausverkauft

Mit 160 Euro muss man mindestens rechnen, sofern man neben der eigentlichen Platine (etwa 120 € oder 140 € mit 4 GB oder 8 GB RAM) das unentbehrliche Netzteil (etwa 7 Euro), ein Gehäuse (etwa 13 Euro) und ein Kabel- und Montage-Set für Sata (etwa 13 Euro) benötigt. Und Achtung: Dies waren die Preise einschlägiger Elektronik-Versandhändler wie Pollin oder Reichelt im April und Mai 2022. Seit der Odroid M1 in erster Marge schnell vergriffen war, stiegen umgehend die Preise.

Die nachfolgenden Eckdaten versprechen in der Tat ein besonders flott laufendes Betriebssystem dank Installation auf NVMe, Sata oder eMMC sowie einen rasanten Serverbetrieb dank Sata-Laufwerk. Ein Sorglospaket für Einsteiger ist die Platine im Unterschied zum universellen Raspberry 4 indes nicht: WLAN- und Bluetooth-Chip fehlen, beim Einsatz eines Sata-Laufwerks gibt es Bedingungen, die man vorab kennen sollte, und auch bei USB ist nicht jede beliebige Anschlussoption möglich. Nicht zuletzt gibt es vorläufig nur ein schmales Angebot bei der Systemsoftware, sodass der Käufer bei der Auswahl des Betriebssystems eventuell Kompromisse eingehen muss. Aber das lohnt die Hardware allemal.

Anschlussfreudiger Odroid M1: Die Standardports oben bieten Gigabit-Ethernet, HDMI, je zweimal USB 2.0 und USB 3.0. Darunter gibt es den Slot für eine NVMe-SSD, rechts unten Sata-Datenport und Sata-Stromversorgung, unten Mitte den eMMC-Anschluss. GPIO-Pins und Audio-Klinkenbuchse sind ebenfalls vertreten.

Odroid M1: Die technischen Eckdaten

Die ARM-Hardware läuft mit einem leicht angepassten Rockchip-Prozessor (RK3568B2) mit vier Cortex A55-Kernen und einer Taktfrequenz von knapp 2 GHz. Diese CPU bringt die Platine in die Liga des Raspberry 4, erreicht dessen Leistung aber nicht ganz (siehe Kasten „Mini-Benchmark“ auf der letzten Seite). Für den festverbauten LPDDR4-Arbeitsspeicher gibt es zwei Varianten der Platine mit vier oder acht GB RAM. Der Preisunterschied beträgt gut 20 Euro. Nach unserer Marktbeobachtung wurde die 8-GB-Variante am schnellsten ausverkauft und fordert derzeit auch die längeren Wartezeiten auf die nächsten Margen. Im Prinzip sollten für typische Serverrollen im Heimnetz aber auch vier GB RAM völlig ausreichen.

Für den Netzwerkanschluss ist ein Gigabit-Ethernet-Port vorhanden und zur Monitorausgabe ein HDMI-Anschluss. Für die sehr ordentliche bis gute Soundausgabe kann neben HDMI auch ein 3,5-Millimeter-Klinkenstecker dienen. Für Bastler und Industrieeinsatz kommt ferner noch ein DSI-Anschluss für einen kleinen LCD-Bildschirm hinzu. Ebenfalls für Bastlerprojekte kann eine Kamera über CSI angeschlossen werden. Auch die vom Raspberry bekannte 40-Pin-GPIO-Leiste ist verbaut.

Interessant für den Servereinsatz wird es bei den Anschlüssen für Datenträger: USB darf nicht fehlen und ist im Prinzip fünfmal vertreten – zweimal USB 3.0, zweimal USB 2.0 sowie ein Micro-USB-Anschluss (OTG). Der untere der beiden USB-3.0-Ports wird allerdings deaktiviert, falls der kleine OTG-Anschluss genutzt wird. Das ist kein großes Limit, aber man sollte dieses Detail nicht vergessen. Für an USB 3.0 angeschlossene Laufwerke gilt wie bei allen ähnlichen Platinen die Empfehlung, besser Datenträger mit eigener Stromversorgung anzuschließen. Zwei 2,5-Zoll-Laufwerke an USB und eventuell noch ein zusätzliches Sata-Laufwerk kann das Netzteil der Platine nicht stabil versorgen.

Das optionale Sata-Laufwerk versorgen die zwei Standardanschlüsse für das Daten- und das Stromkabel. Letzterer ist ein 5-Volt-Anschluss für 2,5-Zoll-HDDs oder SSDs. Eine große 3,5-Platte mit 12-Volt-Anschluss kann die Platine folglich nicht versorgen, diese müsste dann also mit externem Netzteil betrieben werden. Das von Hardkernel angebotene Sata-Montage-Set für circa 13 Euro umfasst nur die beiden Standardkabel und einen Hartplastik-„HDD-Holder“, um die Sata-Platte mit der Platine zu verschrauben. Das Zubehör ist verzichtbar, sofern Standardkabel vorliegen und der Datenträger nicht befestigt werden muss.

Für das Betriebssystem (oder Daten) gibt es neben dem üblichen Slot für eine Micro-SD-Karte und dem Sata-Laufwerk noch weitere Optionen: Es ist ein eMMC-Slot vorhanden (Embedded Multimedia Card) sowie ein Anschluss für ein SSD-Laufwerk vom Typ NVMe M.2. Letzteres muss eine PCIe-NVMe sein, eine NVMe mit Sata-Controller funktioniert dort nicht.

Odroid M1 mit NVMe-SSD im M.2-Slot: Es muss sich um eine PCIe-SSD handeln (Stichwort „M-Key“ oder „Key M“). Ebenfalls im M.2-Faktor erhältliche Sata-Laufwerke funktionieren nicht.
Odroid M1 mit montierter SSD: Das Montage-Set für etwa 13 Euro ist unter Umständen entbehrlich, wenn Sata-Standardkabel vorrätig sind. Das Standardgehäuse ist bei einem Sata-Einbau in jedem Fall überflüssig, weil es dafür keinen Platz bietet.

Wichtige Infos zur Systeminstallation

Auf https://wiki.odroid.com/odroid-m1/odroid-m1 gibt es bislang nur einige wenige Systemimages zum Download (siehe dort „os_images“), die dann mit einschlägigen Tools wie Etcher oder Gnome-Disks auf SD-Karte zu übertragen sind. Zum Redaktionsschluss war die Auswahl verfügbarer System noch sehr bescheiden und überdies unglücklich gewählt: Wer – naheliegend – die Hardware für Serveraufgaben nutzen will, wird nicht unbedingt zu Android 11 greifen. Ansonsten gibt es ein Ubuntu 20.04 ausgerechnet mit der anspruchsvollen Gnome-Oberfläche, die für die Hardware nicht angemessen erscheint. Zum Zeitpunkt des Produkttests erschien uns daher als einzig passende Wahl ein purer Ubuntu Server 20.04, auf den wir anschließend ein sparsames XFCE nachinstallierten. Die Zugangsdaten für fertige Odroid-Images lauten seit jeher „odroid“ mit Kennwort „odroid“.

Klassische Images auf https://wiki.odroid.com: Dieser Weg eignet sich nur für den Transport auf SD-Karte. Eine Installation auf Sata oder NVMe muss über das Minisystem Petitboot erfolgen.

Diese traditionelle Systembestückung für Platinenrechner ist aber auf SD-Karten (eventuell noch eMMC) beschränkt. Wer das System auf Sata oder NVMe installieren will, muss einen anderen Weg einschlagen. Und dieser Weg erweist sich insgesamt als der klügere, weil er ein sauberes System ohne „odroid“-Konto, eine größere Systemauswahl, eine individuelle Desktop-Auswahl und vor allem die freie Wahl des Systemdatenträgers eröffnet.

Beim Start der Platine (mit oder ohne installiertes Betriebssystem) meldet sich das integrierte Minimalsystem Petitboot, das einige wesentliche Systeminfos anzeigt und ferner eine Multiboot-Auswahl des Betriebssystems erlaubt (falls etwa auf SD, Sata und NVMe verschiedene Systeme bereitstehen). Entscheidender ist aber die Fähigkeit von Petitboot, Betriebssysteme über das Internet zu laden und zu installieren. Diese Fähigkeit wird bei Hardkernel- oder Vertreiber-Dokumentationen lapidar vorausgesetzt, ist aber bislang nirgendwo prominent dokumentiert.

Um die im Netz verfügbaren Systeme aufzulisten, müssen Sie in Petitboot zunächst die unterste Option „Exit to shell“ wählen und dann die folgenden zwei Befehle eingeben:

udhcpc
netboot_default

Der erste stellt die Verbindung zum Netzwerk sicher, der zweite setzt die Bootpriorität auf die Netzwerkinstallation. Nach „exit“ und Verlassen der Mini-Shell zeigt das Petitboot-Menü oben die verfügbaren Betriebssysteme. Dies sind mehr als die Downloadseite als traditionelle Images anbietet, allerdings ist von Kandidaten mit dem Hinweis „Work in Progress“ oder „Experimental“ eher abzuraten, da dies in unserem Fall prompt in einem fatalen Boothänger nach dem ersten Systemstart endete. Zum Zeitpunkt dieser Recherche waren nur Ubuntu 20.04 und Debian 10 als stabile Kandidaten erreichbar. Mindestens Ubuntu 22.04 und Debian 11 werden umgehend folgen.

Die weiteren Vorteile dieser Installationsweise sind offensichtlich: In den bekannten, textbasierten Installern von Ubuntu und Debian sorgen Sie vorab für eine saubere Lokalisierung des Systems, für ein individuelles Systemkonto und entscheiden gegen Ende der Installation im Tasksel-Dialog über Desktop und gewünschte Serverdienste (SSH, Apache). Für den Systemdatenträger gibt es beim Partitionierungsdialog kein Verbot – SD-Karte, NVMe-, Sata-, eMMC- oder auch USB-Laufwerke sind möglich.

Besser und flexibler als ein Image-Download: Im integrierten Odroid-Minimalsystem können Sie die Netboot-Option freischalten und dann das gewünschte System aus dem Internet beziehen.
Mit Petitboot gestarteter Netinstaller (hier Debian): Damit bringen Sie das Betriebssystem auf jedes beliebige Laufwerk, das an der Odroid-Platine angeschlossen ist.

Odroid M1: Praxis, Tipps und Einordnung

Die Platine arbeitet lüfterlos und somit absolut lautlos. Ähnlich dem Odroid N2 sitzt die gesamte Hardware auf einem großen passiven Kühlkörper, und nach Ausweis des Sensor-Tools des von uns genutzten XFCE-Desktops erreicht die Platine selbst bei Last kaum 40 Grad. Dies bestätigen auch eine haptische Kontrolle sowie der sehr niedrige Stromverbrauch: Wir messen etwa zwei Watt im Leerlauf und bringen den Odroid M1 selbst unter hoher Last nicht über 3,5 Watt Leistungsaufnahme – eventuelle mechanische Laufwerke oder Displays sind hier natürlich nicht eingerechnet.

Tipp zur Desktop-Wahl: Sofern man dem allzu anspruchsvollen Desktop Gnome aus dem Weg geht, arbeitet der Mini-Rechner mit einem XFCE, LXDE oder LXQT jederzeit auch mit grafischer Oberfläche flüssig. Selbst für einen Odroid M1 in reiner Serverrolle empfehlen wir die Installation eines Desktops, der dann per HDMI oder VNC neben der SSH-Fernwartung auch eine bequeme Oberfläche anbietet. Bei vier oder sogar acht GB RAM fällt der meist ungenutzte Desktop kaum ins Gewicht.

Tipp für Datenfreigaben: Mechanische Sata-HDDs, auch wenn sie ausschließlich als Datenfreigabe dienen, sollten unbedingt mit dem Standarddateisystem Ext4 formatiert werden. Das von Hardkernel früh angebotene Ubuntu 20.04 hat einen relativ betagten Kernel mit mäßiger NTFS-Unterstützung. Der Datendurchsatz kommt damit kaum über 30 bis 40 MB/s und liegt damit sogar unter den etwa 80 MB/s, die per USB angeschlossene Datenträger erreichen. Es wäre daher kontraproduktiv, die M1-Platine wegen der Sata-Schnittstelle zu erwerben und dann mit NTFS auszubremsen. SSDs am Sata-Port sind hingegen mit jedem beliebigen Dateisystem schnell genug, um im Gigabit-Netzwerk die Daten mit den maximalen 110 bis 120 MB/s auszuliefern.

Tipp zum Zubehör: Für den Odroid M1 gibt es ein hübsches, blaues Aluminiumgehäuse, das als Staubschutz prinzipiell zu empfehlen wäre. Es wird einfach auf die passende Rille des großen Kühlkörpers aufgeschoben und dann auf beiden Seiten mit Endabdeckungen verschraubt. Ganz zu Ende gedacht ist das nicht, weil sich das Gehäuse mit dem interessantesten Hardware-Angebot der Platine nicht verträgt: Ein Sata-Laufwerk bringen Sie nämlich nicht unter, wenn Sie das Gehäuse nutzen. Es ist nicht einmal möglich, die Sata-Kabel nach außen zu legen und das Laufwerk außerhalb zu nutzen, denn allein schon die eingesteckten Sata-Kabel machen es unmöglich, das Gehäuse auf die Platine zu schieben. Kurz: Wer vorhat, am Odroid M1 ein Sata-Laufwerk anzuschließen, kann sich den Kauf des Gehäuses von vornherein sparen.

Einordnung: Im Umfeld des Raspberry Pi 4 und den weiteren aktuellen Odroid-Platinen wird das Modell Odroid M1 aufgrund seiner Flexibilität mühelos seinen Platz finden. Daran lässt sich praktisch alles anschließen und einbauen, was man in der Schublade liegen hat. Da wird dann die kleine SSD, die für den Desktoprechner längst unterdimensioniert war, zum idealen Systemdatenträger. Als Datenserver garantiert die Platine jederzeit volle Gigabit-Leistung (120 MB/s), wenn die Daten auf einem Sata-Laufwerk liegen. Laufwerke an USB 3.0 liefern die Daten nicht schneller, aber auch nicht langsamer aus als beim Raspberry Pi 4 – also je nach Datengrößen mit 60 bis 90 MB/s.

Mini-Benchmark mit Raspberry und Odroid

Ein kleiner Vergleich mit der simplen arithmetischen Iteration

time $(i=0; while (( i < 9999999 )); do (( i ++ )); done)

auf etlichen Geräten ordnet die CPU-Leistung des neuen Odroid M1 ganz gut ein. Diese primitive Methode haben wir gewählt, weil auf den diversen Geräten mit diversen Betriebssystemen eine andere einheitliche Methode zu viel Aufwand erfordert hätte. Über die Aussagekraft des simplen Benchmarks lässt sich streiten, aber die Rangfolge deckt sich mit unserer praktischen Alltagserfahrung mit diesen Geräten. Der Raspberry Pi 4 liegt vor der neuen Odroid-Platine, deutlicher noch der Odroid N2 und der nicht mehr erhältliche Odroid H2. Der Fokus des neuen Raspberry-Konkurrenten Odroid M1 liegt eindeutig beim Angebot der Datenträgeranschlüsse, nicht bei der CPU-Leistung.

Odroid-Miniserver (2019)

Wer meint, die koreanische Firma Hardkernel mit ihren diversen Odroid-Produkten („Open Droid“) sei ein typischer Raspberry-Trittbrettfahrer, liegt mindestens teilweise falsch. Die Firma gibt es schon länger und ihr erster Platinenrechner „Odroid-PC“ datiert aus dem Jahr 2011, also ein Jahr vor dem ersten Raspberry Pi. Richtig ist aber, dass Hardkernel früh und umtriebig auf den Erfolg des Raspberry Pi reagiert hat und seit 2012 die komplette Produktpalette als Raspberry-Konkurrenz ausrichtet. Der Raspberry-Boom veranlasste Hardkernel zur Fokussierung auf Mini-Server und Platinenrechner.
Die an sich vernünftige Kernstrategie war offenbar immer, für moderat höhere Preise deutlich mehr Leistung anzubieten als der Raspberry Pi. Die zahlreichen Odroid-Varianten der Jahre 2012 bis 2019 zeugen allerdings von hektischer Betriebsamkeit, die beim Konsumenten eine gewisse Ratlosigkeit hinterlässt, inwiefern sich die Produkte unterscheiden. Nachhaltigkeit und Weitblick war hier nicht zu erkennen, und diverse Odroid-Projekte kamen und starben wie Eintagsfliegen: Die sehr lange Spalte „Obsolete products“ auf der Herstellerseite http://www.hardkernel.com/main/products/prdt_info.php spricht für sich. Inzwischen hat Hardkernel seine Produktpalette konsolidiert. Der Durchblick ist heute einfacher, verlangt aber immer noch genaueres Hinsehen. Dies sollen die nachfolgenden Seiten leisten. Die aktuell noch gepflegten Odroid-Platinen verdienen diese Übersicht, da sie qualitativ und zumeist auch in der Komponentenzusammensetzung überzeugen. Eine Produktübersicht des Herstellers bietet die oben genannte Hardkernel-Webseite.

Verträgt der südkoreanische Hersteller Hardkernel, der die Odroids baut, noch mehr Konkurrenz? Die Odroid-Platinen kannibalisieren sich nämlich bereits ordentlich untereinander. Die zahlreichen Odroid-Varianten der Jahre 2012 bis 2019 beweisen viel innovatives Potential, aber keine nachhaltige Strategie. Der nächste Odroid in der jeweiligen Preisklasse ist quasi immer der Killer des letzten Odroid. Aber vielleicht ist das ja die Strategie – und beim Raspberry ja auch nicht anders. Im Unterschied zum Raspberry skalieren die Odroids aber gewaltig und bieten eine Auswahl für unterschiedliche Leistungsansprüche. Außerdem hat uns bislang jede Odroid-Hardware qualitativ und in der Komponentenzusammensetzung überzeugt. Ein eventueller Schwachpunkt ist die Systemsoftware.

Die Odroids: Allgemeine Vorbemerkungen

Für alle Odroid-Platinen gibt es eine Reihe von Linux- und Android-Betriebssystemen, die Sie herunterladen und mit den üblichen Werkzeugen auf Micro-SD schreiben. Anlaufstelle ist das Wiki https://wiki.odroid.com, das auch über die Hauptseite erreichbar ist (www.hardkernel.com). Sie finden in der linken Spalte die aktuellen Platinenmodelle, und unter dem einzelnen Modell jeweils den Eintrag „os_images“. Hier erscheinen dann die offiziellen Android- und Linux-Images, ferner unter „third party“ weitere inoffizielle, aber beachtenswerte Systeme wie etwa Dietpi oder Openmediavault.

Die Auswahl an Systemen ist insgesamt nicht üppig, aber jederzeit ausreichend: Ein ausbaufähiges LTS-Ubuntu, oft mit Mate-Desktop, ist für alle Platinen im Angebot. Problematischer als die Systemauswahl ist die Tatsache, dass ständig neue Odroid-Geräte die älteren verdrängen und diese dann Software-technisch nicht mehr gepflegt werden. So wird etwa der ältere, sehr brauchbare Odroid U3 längst nicht mehr verkauft und auch nicht mehr gepflegt. Über das letztaktuellste Ubuntu 16.04.6 (mit Update-Support bis 2021) auf dieser Platine wird daher wohl keine jüngere Version mehr hinausführen. Eine ähnliche Entwicklung ist für alle Odroids (außer H2) zu bedenken: Unter Umständen muss dann das Gerät ohne Updates weiterlaufen, was beim lokalen Heimserver kein ernstes Problem ist, aber jede Öffnung für den Internetzugriff verbietet.

Eine weitere Einschränkung gilt für alle Odroids: Die Platinen haben allesamt keinen WLAN/Bluetooth-Funkchip an Bord. Das ist letztlich konsequent, weil ein H2, N2, XU4 oder HC1 für Serveraufgaben prädestiniert ist, die nur mit verkabeltem Ethernet Sinn machen. Wer zusätzliches WLAN oder Bluetooth benötigt, muss dies über einen WLAN- oder Bluetooth-USB-Stick nachrüsten. Die Firma Hardkernel bietet dafür eigene Dongles, jedoch funktionieren auch alle anderen Linux-kompatiblen Dongles wie Edimax EW-7811UN, Asus N10 Nano oder CSL 300.

Deutscher Vertreiber für sämtliche Odroid-Platinen und Zubehör ist Pollin (www.pollin.de). Das Meiste finden Sie auch bei Reichelt (www.reichelt.de) und Amazon.

Kein Platinenrechner, sondern eher ein Ausbau-Barebone mit Intel-CPU: Der Odroid H2 ist flexibel mit RAM, eMMC-Karte oder NVME-SSD bestückbar, bootet aber auch via USB oder SATA.

Odroid H2: Ein Ausbau-Barebone

Der Odroid H2 wurde Ende 2018 erstmalig angeboten, war nach zwei Tagen ausverkauft und dann erst wieder ab Juli 2019 verfügbar. Das in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliche Gerät gehört nicht wirklich in die Kategorie der Platinenrechner, sondern ist ein Ausbau-Barebone, der eher mit Zotac-Boxen oder Intel NUCs konkurriert. Dies zeigt sich schon an der Größe der Platine (11 mal 11 Zentimeter) und an der Tatsache, dass die typische GPIO-Leiste mit den programmierbaren Pins für Bastelprojekte fehlt. Der Odroid H2 ist ganz klar als Barebone für Heimserver oder Zweit-Desktops konzipiert.

Intel-CPU: Mit dem Intel Processor J4105 (Quadcore mit 1,5 bis 2,5 GHz) verlässt der Odroid H2 die sonst übliche ARM-Plattform. Diese Celeron-CPU auf der 130-Euro-Platine ist natürlich kein Gaming-Renner, kann aber mit älteren AMD Phenom/Athlon oder schwächeren Intel-i3-CPUs mithalten und ist jederzeit Desktop-tauglich. Aufgrund der x86-CPU gibt es keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Betriebssystems: Windows kann ebenso installiert werden wie jede Linux-Distribution. Angemessen ist ein leichtgewichtiges Ubuntu, mit dem sich der Odroid H2 geradezu spielt.

DDR4-RAM: Der Arbeitsspeicher kann je nach Bedarf auf zwei Bänken auf bis zu 32 GB bestückt werden (DDR4 SO-DIMM). Für eine der Platine angemessenen Rolle als Daten- oder Medienserver sollten aber 4 GB oder allenfalls 8 GB allemal ausreichen.

Anschlüsse: Für Serverrollen ist der Odroid H2 auch sonst bestens gerüstet: Zwei SATA-3.0-Ports und zweimal USB 3.0 (ferner zweimal USB 2.0) sorgen für schnellen Datentransfer auf angeschlossenen Festplatten. Für den Netztransport sind zwei schnelle Gigabit-Ethernet-Anschlüsse vorhanden, die auch einen Einsatz als Netzwerkbrücke zwischen zwei lokalen Netzen oder als Hardware-Firewall hinter dem Router anbieten. Unter halbwegs idealen Umständen messen wir bis zu 115 MB/s, die der Rechner als Samba-Server ausliefert, was sich dem theoretischem Maximum von Gigabit-Ethernet nähert.

Der Rechner besitzt ein Uefi-Bios wie ein PC und kann sein Betriebssystem von SATA, USB, eMMC-Karte oder NVM-Express-SSD booten. Ein Micro-SD-Einschub wie auf typischen Platinenrechnern ist nicht vorhanden und auch nicht nötig. Die Installation eines Betriebssystems erfolgt wie auf einem PC über ein Linux-Livesystem via USB-Stick oder über ein DVD-Laufwerk am USB-Anschluss. Für Monitoranschluss sind ein HDMI-Ausgang und ein Display-Port 1.2 (4K) vorhanden. Neben der Soundausgabe via HDMI gibt es auch noch analoge Aus- und Eingänge für Klinkenstecker.

Mit solcher Ausstattung kann die Platine locker mehrere Rollen erledigen: In unserem Fall arbeitet er mühelos als zentraler Samba- und SSH-Server, als Apache-Server für eine Dokumentenzentrale und als Kodi-Mediencenter für das TV-Gerät via HDMI.

Lautlos: Die lüfterlose Platine macht keinerlei Betriebsgeräusche und zeigt trotz passiver Kühlung moderate Temperaturen zwischen 40 und 55 Grad. Die Leistungsaufnahme liegt höher als bei Raspberry & Co bei etwa 5 Watt im Leerlauf, 7-8 Watt bei Last und gelegentlichen Spitzen bis zu 12 Watt.

Preise: Der Preis von 130 Euro darf nicht täuschen: Dafür gibt es nur die nackte Platine ohne Netzteil, ohne RAM, ohne Gehäuse, ohne Bootmedium, ohne Kabel. Um das Barebone-ähnliche Ausbau-Board zum Laufen zu bringen, sind folgende Ergänzungen einzuplanen: ein Netzteil (ca. 14 Euro), ein Gehäuse (ca. 12 Euro), 4 GB RAM (DDR4-SO-DIMM, ca. 50 Euro), eMMC-Karte mit 64 GB (ca. 55 Euro), eventuelle Kabel wie Displayport nach HDMI (10 Euro), SATA-Kabel (5 Euro). Es ist ratsam, den Kauf der Komponenten so abzusichern, dass am Ende alles passt. Der Vertrieb pollin.de kann da manche Zweifel beseitigen, insofern er das H2-taugliche Zubehör direkt anzeigt.

Der Gesamtpreis geht dann schnell Richtung 300 Euro, wobei die angeführten Beispiele bei RAM und eMMC sowohl nach oben wie nach unten zu skalieren sind. Eine schnelle eMMC-Karte ist optimal, aber optional, da der Odroid H2 auch reichlich andere Bootoptionen besitzt.

Odroid N2 auf großem Kühler: Das Beste an dieser Hardware sind 6-Kern-CPU, Coolness und geringer Stromverbrauch. Die Input/Output-Leistung ist nicht besser als beim Odroid XU4.

Odroid N2: Coole Platine

Nimmt man den beschriebenen Odroid H2 aus den genannten Gründen aus der Rechnung, ist der Odroid N2 das aktuelle Spitzenmodell der Odroid-Platinenrechner. Der seit Frühjahr 2019 erhältliche Odroid N2 versteht sich mit 40-poliger GPIO-Leiste auch als Bastelplatine, ist aber in erster Linie als Heimserver oder Zweit-Desktop konzipiert. Auffällig ist das Kühlkonzept der relativ breiten Platine, die komplett auf einem ebenso großen, passiven Kühlkörper sitzt.

6-Kern-CPU: Die Platine kombiniert sechs ARM-Kerne – zwei kleine Kerne (Cortex A53 mit 1,9 GHz) und vier große (Cortex A73 mit 1,8 GHz). Die Leistung ist spürbar, aber nicht dramatisch besser als beim neuen Raspberry. Mit dieser CPU und dem Mali-Grafikchip G52 liefert der Odroid N2 einen nahezu flüssigen Desktop. Beim Einsatz als Zweit-Desktop ist die Hardware dem Raspberry Pi 4 eindeutig überlegen.

Anschlüsse: Der Odroid N2 bietet kein SATA, aber viermal USB 3.0. Für den Netzverkehr gibt es einen Gigabit-Ethernet-Anschluss, womit der Rechner als Samba-Server bis zu 110 MB/s liefert. Weniger erfreulich ist die Leistung der USB-Ports, die sich per internen Hub einen USB-3.0-Kanal teilen. Dies führt beim lokalen Austausch zwischen diesen USB-Laufwerken zu eher enttäuschendem Durchsatz. Eine große Datenfestplatte ist daher die klügere Ausstattung als mehrere kleine, zumal diese einen zusätzlichen Hub erfordern.

Alternativ zur Micro-SD-Karte kann das Betriebssystem auch von einer schnelleren eMMC-Karte gebootet werden. Die Auswahl des Boot-Mediums erfolgt über einen kleinen Schalter auf der Platine. Zur Soundausgabe gibt es neben dem typischen HDMI-Ausgang (Standardgröße) einen analogen Ausgang für Klinkenstecker. Außerdem ist ein Infrarot-Empfänger an Bord.

Lautlos und kühl: Die mit 10 mal 9 Zentimeter relativ breite Platine auf dem großen passiven Kühler arbeitet lüfterlos und somit absolut lautlos. Das Kühlkonzept scheint überzeugend, da die Platine im Leerlauf nur 35 Grad meldet und unter Last kaum über 45 Grad zu heizen ist. Das ist auch haptisch anhand der offenen Platine leicht zu verifizieren, während man beim Raspberry Pi 4 die Finger besser weglässt. Das Gerät bestätigt seine Coolness auch beim Stromverbrauch: Nur 2 bis 3 Watt fordert der Leerlaufbetrieb und bei Last geht es maximal Richtung 5 Watt.

Für die Stromversorgung externer 2,5-Zoll-USB-Festplatten über die USB-Ports gilt Ähnliches wie beim Raspberry: Zwei Laufwerke sind bereits zu viel, spätestens dann, wenn die Laufwerke Arbeit bekommen. Ohne zusätzlichen, aktiven USB-Hub geht es also auch hier nicht.

Preise: Die Platine gibt es mit 2 oder 4 GB DDR4-RAM für circa 80 beziehungsweise 95 Euro. Wenn Kabel für HDMI und eine SD-Karte vorhanden sind, ist der Odroid N2 damit bereits vollständig ausgestattet. Das optionale Gehäuse für etwa 7 Euro ist eigentlich nur eine Abdeckung, die in die Schiene des Lüftersockels geschoben wird.

Odroid XU4: Das Auslaufmodell

Bis Ende 2018 noch Spitzenmodell gerät der Odroid XU4 durch die hauseigene Konkurrenz und den Raspberry Pi 4 zum Auslaufmodell. Die Platine hat gegen den Pi 4 nur noch schwache Argumente, und wem dieser nicht genügt, kann zum Odroid N2 greifen. Das ist fast bedauerlich, denn der XU4 hat sich im Server-Dauerbetrieb als äußerst robust und zuverlässig erwiesen. Solche Nachhaltigkeit als unermüdlicher Rechenknecht muss der Odroid N2 erst noch nachweisen. Desktop-tauglich ist der XU4 allerdings im Unterschied zum N2 definitiv nicht. Die besten Chancen hat die XU4-Hardware eventuell noch in ihren spezialisierten Varianten HC1 und HC2, die ebenfalls auf Odroid XU4 basieren (siehe unten).

CPU und RAM: Der Achtkerner arbeitet mit zwei Quadcore-CPUs, wobei je nach Auslastung der Vierkerner Cortex A15 mit 2 GHz oder der sparsamere Vierkerner Cortex A7 mit 1,4 GHz zum Zuge kommt. Mit standardmäßig zwei GB DDR3-RAM ist die Platine für den Serverbetrieb ausreichend bestückt.

Anschlüsse: Entscheidend für den Datendurchsatz ist die Kombination von USB 3.0 (zweimal) mit Gigabit-Ethernet. Die theoretischen 125 MB/s erreicht die Platine zwar nicht, aber 80 bis 90 MB/s sind maximal möglich. Als Boot- und Systemmedium kommt sowohl die typische Micro-SD-Karte als auch eine eMMC-Karte infrage. Die Auswahl des Medium erfolgt über einen kleinen Schalter auf der Platine. Für Erweiterungen und Bastellösungen gibt es zwei Pin-Anschlüsse (30 plus 12).

Mit und ohne Lüfter: Das Kühlkonzept des Odroid XU4 wurde seit seinem Erscheinen 2015 vielfach kritisiert. Von Platinenrechnern erwarten die Kunden lautlosen Betrieb. Der XU4 hat einen aktiven Lüfter, der seine kleinen Maße mit hoher Drehzahl ausgleicht. Das Geräusch ist nicht laut, aber aufgrund der hohen Frequenz unüberhörbar. Beim Einsatz als Medienserver im Wohnzimmer kann das durchaus stören. Daher hat Hardkernel den Odroid XU4Q mit passivem Kühlkörper nachgeschoben („Q“ für „quiet“). Die Variante ist etwas preiswerter, aber etwas leistungsärmer, weil die Platine hier häufiger auf die schwächere A7-CPU schaltet. Wer einen XU4 besitzt, kann den aktiven Lüfter auch durch den passiven Kühlkörper ersetzen, der als Einzelzubehör für etwa acht Euro verkauft wird.

Stromverbrauch: Die Platine kommt im Idle-Betrieb auf etwa 4 Watt und fordert bei Last und laufendem Lüfter bis zu 10 Watt.

Preise: Die Preise für den Odroid XU4 dürften demnächst purzeln. Bislang kostet er immer noch etwa 80 Euro, als lüfterloser XU4Q circa 75 Euro (www.pollin.de). Aktuelle Bundles liegen aber bereits unter 100 Euro und liefern Gehäuse, Netzteil, SD- und eMMC-Karte mit.

Odroid XU4 mit und ohne Lüfter: Die bewährte Platine bleibt mit Netzteil, Gehäuse, eMMC- und SD-Karte unter 100 Euro. Die lautlose XU4Q-Variante mit passiver Kühlung taktet etwas niedriger.

Odroid HC1/HC2: Kleine Heimserver

„HC“ steht für „Home Cloud“. Die beiden Odroid-Varianten basieren auf XU4 und sind hinsichtlich CPU, GPU, RAM und Gigabit-Ethernet identisch ausgestattet. Statt USB 3.0 (nur einmal USB 2.0) gibt es hier eine SATA-3-Schnittstelle für genau eine Festplatte oder SSD, die in das Alu-Gehäuse eingeschoben wird. HC1 und HC2 fokussieren auf einen kleinen, schnellen Netzwerkspeicher für private Zwecke. HC1 und HC2 haben kein HDMI oder sonstigen Monitor-Anschluss: Das System kann nur über das Netzwerk mit SSH erreicht und verwaltet werden.

Preise: Die lüfter- und lautlosen HC1 und HC2 kosten circa 60 und 65 Euro. Der einzige Unterschied der beiden Varianten ist das Alu-Gehäuse, das beim HC1 nur ein 2,5-Zoll-Laufwerk, beim größeren HC2 wahlweise eine 2,5- oder 3,5-Zoll-Festplatte aufnimmt. Das unentbehrliche Netzteil kostet circa 8 Euro.

HC1/2 („Home Cloud“) basieren auf dem XU4, haben aber einen SATA-Anschluss für eine Festplatte (HC1 nur 2,5 Zoll). Wo dies genügt, bietet die Hardware ein aufgeräumtes Mini-NAS.

Odroid C1/C2: Obsolet

Die soliden Platinen Odroid C1 und C2 waren 2015 mit Quadcore-CPU, 1 oder 2 GB RAM sowie Gigabit-Ethernet als Raspberry-Konkurrenz geplant. Sie konnten aber schon neben dem Raspberry Pi 3 B+ (Anfang 2018) nur noch aufgrund der schnelleren Ethernet-Schnittstelle bestehen – neben dem aktuellen Raspberry 4 wohl definitiv nicht mehr. Der Odroid C2 wird derzeit immer noch für knapp 55 Euro verkauft – Tendenz fallend. Die Pi-Variante mit 2 GB RAM kostet 50 Euro und schlägt den Odroid C2 (ebenfalls 2 GB RAM) in allen anderen Belangen.

Solide Platinen für kleine Aufgaben: Odroid C1/C2 eignen sich besonders für kleine Apache-Webdienste, dürften aber neben dem Raspberry Pi 4 ausgespielt haben.

Exkurs: X86 und ARM – ein CPU-Vergleich am Beispiel Odroid XU4

Die Octacore-CPU des Odroid XU4 mit 2 GHz klingt nach mächtig viel Leistung. Jedoch handelt es sich um zwei Quadcore-ARM-Einheiten, die je nach Anforderung zur schnelleren oder stromsparenderen umschalten. Vor allem aber darf man generell die Taktraten und die Kernzahlen von ARM-Prozessoren nicht annähernd den x86-CPUs von PCs und Notebooks gleichsetzen. Die kleine Tabelle zeigt, dass die Intel Atom-CPU eines 10 Jahre alten Netbooks immer noch knapp vor der ARM-Quadcore-CPU eines Raspberry 3 liegt. Die Platine Odroid XU4 lässt diese Netbook-CPU zwar deutlich hinter sich, kommt aber nicht annähernd an Notebook- und PC-Prozessoren heran. Unser Vergleich wurde mit Sysbench auf der Kommandozeile ausgeführt.

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Linux für ältere Hardware

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Mit Hunderten unterschiedlich spezialisierter Distributionen lädt Linux dazu ein, für ältere Geräte passende Systeme und Rollen zu finden. Oder für benötigte Aufgaben sogar gezielt ältere Hardware einzukaufen.

„Linux auf älterer Hardware“ ist ein facettenreiches Thema: Zunächst ist es ja so, dass leichtgewichtige Linux-Desktops und erst recht Server-Distributionen ohne Desktop sehr genügsam sind und daher auf älterer Hardware (5-10 Jahre) und alter Hardware (10-15 Jahre) klaglos laufen. Und dann gibt es ja auch noch Distributionen mit dem spezialisierten Fokus, richtig alte Hardware (15-20 Jahre) mit wenig Speicher und moosalten CPUs wiederzubeleben. Auch 32-Bit-CPUs und CPUs ohne PAE-Erweiterung werden nach wie vor unterstützt.

Ab einer CPU der Pentium-III-Klasse oder AMD Athlon und einem Arbeitsspeicher ab 512 MB (theoretisch ab 256 MB) finden Sie in jedem Fall eine Linux-Distribution, die Windows XP leistungstechnisch ersetzen kann. Generell kommt alles mit den schlanken XFCE- und LXDE-Desktops schwächeren Rechnern entgegen. Die betreffenden Ubuntu-Varianten heißen Xubuntu (mit XFCE) sowie das noch schlankere Lubuntu (mit LXDE/LXQT). Noch Ressourcen-schonender arbeiten Bodhi Linux und Puppy-Varianten.

Das theoretisch mögliche Recycling obsoleter Hardware ist aber letztlich ein Sport ohne Endorphine. Uns geht es hier um ältere Hardware, die unter Linux noch einen richtig guten Job macht. Dabei gibt es eine Reihe von Aspekten und Gegenanzeigen, die manches Altgerät dann doch zum Elektronikschrott erklären. Neben der Hardware geht es natürlich auch um die Aufgabe, die diese Hardware erledigen soll: Geräte, die an einer Desktop-Rolle scheitern, können in anderer Rolle zur Starbesetzung werden.

Platinen-PCs gegen ältere Netbooks/Notebooks

Beim direkten Vergleich solider älterer Hardware kehrt nach etlichen Jahren des Raspberry-Hypes inzwischen gesunder Pragmatismus ein: Man kann und sollte kleine Platinenrechner nicht zu beliebigen Serveraufgaben prügeln. Selbst der aktuellste Raspberry Pi 3 ist mit USB 2.0 und Fast Ethernet oder gedrosseltem Gigabit-Ethernet kein Favorit für die Rolle als Datenserver.

Netbooks und Notebooks haben bauartbedingte Vorteile: Kontrollmonitor, Tastatur, Maus sind ohne Fummelei jederzeit verfügbar. Auch die Stromversorgung für passiv angeschlossene USB-Datenträger ohne eigenen Netzadapter funktioniert zuverlässig, was bei Platinen nicht immer gegeben ist. Mit der oft gar nicht so kleinen Festplatte ab 160, 200 und bis 500 GB ist auch schon mal ein Basislaufwerk an Bord, das neben dem System die wichtigsten Daten aufnehmen kann.

Die Leistung typischer Atom-CPUs von Netbooks liegt mindestens im Bereich des jüngsten Raspberry 3, lediglich schnellste Platinen wie Odroid XU4 oder Asus Tinker Board schneiden im CPU-Benchmark etwas schneller ab. 10 Jahre alte Notebooks sind meistens leistungsstärker als die ARM-CPUs von Platinen. Hinzu kommt auf Notebooks eine vergleichsweise üppige RAM-Ausstattung mit oft 4 GB (Raspberry 1 GB, Netbooks 1-2 GB).

Der Trend: Während der Raspberry-Hype etwas abflaut, ist der dadurch gewachsene Serverbedarf im Heimnetz ungebrochen. Die Home-Admins halten aber vermehrt Ausschau nach älteren, aber soliden Notebooks und Netbooks als Hardware-Basis für den Linux-Server.

Netbooks: Ideal für Nebenrollen

Netbooks hatten 2007 bis 2010 eine kurze Blütezeit, die durch noch handlichere Tablets ab 2010 jäh beendet wurde. Hardwaretechnisch sind die kleinen Geräte komplette PCs, die aber für den Preis von etwa 250 bis 450 Euro gezielt mit kostengünstigen, leistungsschwächeren und stromsparenden Komponenten bestückt wurden. Typisch sind stromsparende Intel-Atom-CPUs (seltener Celeron) mit bis zu 1,66 GHz, 1 GB RAM (seltener 2 GB), drei USB-2.0-Ports, Fast-Ethernet, WLAN (802.11n), Audio-Chip (Mikro-Eingang und Lautsprecher-Ausgang), Kartenleser, kleines Display mit der Auflösung 1024×600 sowie VGA-Ausgang für einen sekundären Monitor (auch Dual-Monitor-Betrieb). Die mechanische Festplatte bietet meistens 160 bis 250 GB. Netbooks arbeiten zwar nicht lüfterlos, sind aber in Regel sehr leise – leiser als Notebooks. Der Stromverbrauch liegt auch bei Hochlast unter 20 Watt, im Leerlauf unter 10 Watt.

Mit diesen Eigenschaften erreicht oder schlägt ein altes Netbook die meisten aktuellen Platinenrechner. Der Fast-Ethernet-Durchsatz (100 MBit/s) lässt sich mit der Investition in einen USB-to-Ethernet-Adapter zusätzlich verbessern. Der Delock Adapter (ca. 21,50 Euro etwa bei www.reichelt.de) mit schnellem USB 3.0 und schnellem Gigabit-Ethernet kommt am USB-2.0.Port eines Netbooks immerhin auf 300 MBit/s – das entspricht dem gleichermaßen gebremsten Gigabit-Netzadapter beim jüngsten Raspberry 3 B+.

Als komplette Arbeits-Desktops werden Netbooks trotzdem nicht befriedigen. Zum Surfen kann aber ein solches Gerät noch genügen, wenn am Desktop gespart, also etwa ein Lubuntu (www.lubuntu.net) oder Bunsenlabs (www.bunsenlabs.org) gewählt wird. Zudem empfiehlt sich als Webbrowser ein Leichtgewicht, das vielleicht nicht alles kann, aber dafür schnell ist. Falkon (Qupzilla) ist hier ein sehr guter Kompromiss und in allen Standardpaketquellen verfügbar – entweder als Paket „falkon“ oder zumindest als Vorgängerpaket „qupzilla“.

Noch besser eignen sich solide Kandidaten wie ein Asus EEE für kleine Serverrollen im Netzwerk. Flaschenhals für den Dienst als Dateiserver ist USB 2.0: Mit dem bereits erwähnten USB-to-Ethernet-Adapter und damit erreichbaren 300 MBit/s sind aber Heimnetzansprüche in der Regel gut erfüllt. Überhaupt keine Gegenanzeigen gibt es, wenn das Netbook Aufgaben übernimmt, die kein hohes Datenaufkommen haben: Das kann etwa ein Mediawiki (benötigt komplettes LAMP-Paket mit Linux, Apache, Mysql und PHP, siehe www.mediawiki.org) oder ein Dokuwiki sein (benötigt Linux, Apache und PHP, siehe www.dokuwiki.org), das alle wichtigen Notizen, Adressen, Bilder im Heimnetz anbietet. Das kann aber auch eine Web-basierte Dokumentensuche mit dem Tool Recoll sein oder eine PDF-Bibliothek mit der Software Calibre.

Professionelles Renovieren („Refurbish“) von Netbooks scheint sich für Händler nicht zu lohnen. Gebrauchte Netbooks finden Sie praktisch nur über Ebay und private Kleinanzeigen. Die typischen Preise liegen zwischen 50 und 100 Euro. Beim Kauf eines gebrauchten Netbooks sollten Sie Atom-CPUs wie N270, N280 oder höher bevorzugen, ferner eine – allerdings seltene – RAM-Ausstattung mit 2 GB.

Homeserver für 200 bis 300 Euro: Dieses gebrauchte Thinkpad-Notebook L440 ist für etwa 200 Euro erhältlich und bringt alles mit, was ein schneller und zuverlässiger Linux-Server braucht.

Notebooks: Refurbished oder B-Ware als Datenserver

Mit soliden älteren Notebooks können selbst leistungsstarke Platinenrechner wie Odroid XU4 oder Banana Pro kaum mithalten. Neben den allgemeinen Vorteilen des Notebooks wie Display, Tastatur, Maus, Stromversorgung für USB kann das Notebook in der Regel die schnellere CPU und mehr RAM vorweisen. Lediglich der Stromverbrauch ist beim Notebook etwas höher: Nicht allzu alte Notebooks verbrauchen bis zu 25 Watt, sehr alte bis zu 40 Watt (Platinenrechner nur circa 4 bis 10 Watt).

Wer keinen Notebook-Oldie vorrätig hat, sondern ein gebrauchtes Gerät für eine Rolle als Datenserver gezielt erwerben will, sollte penibel auf die Input/Output-Komponenten achten. Ideal wäre USB 3.0 in Verbindung mit Gigabit-Ethernet. Fehlendes USB 3.0 lässt sich kaum kompensieren, langsameres Fast Ethernet (100 MBit/s) hingegen relativ leicht durch einen externen USB-to-Ethernet-Adapter mit Gigabit-Leistung.

Gute gebrauchte Notebooks, die alle diese Voraussetzungen mitbringen und sich mit i3-CPU aufwärts und 4 GB RAM aufwärts für Serveraufgaben ideal eignen, kosten typischerweise 150 bis 300 Euro. Solche Notebooks bieten viele Fachhändler an – zum Teil B-Ware mit leichten Mängeln, ferner Vorführgeräte sowie fachmännisch renovierte („refurbished“) Gebrauchtgeräte. Besonders zu empfehlen sind nach unserer Erfahrung die unverwüstlichen Thinkpads von Lenovo, ferner auch Pro Books oder Elitebooks von HP. Andere HP-Serien wie Pavilion sind hingegen qualitativ allenfalls ausreichend. Dell-Notebooks werden im Server-Dauerbetrieb gerne zu heiß.

Eine größere Auswahl finden Sie bei folgenden Händlern (Stand: Anfang 2019):

www.amazon.de (z. B. „Thinkpad gebraucht“ ab 150 Euro)

www.conrad.de („Refurbished“ oder „Vorführware“ ab 199 Euro)

www.pollin.de („Refurbished“ ab 229 Euro)

www.itsco.de/notebooks („B-Ware“ ab 179 Euro)

www.gebrauchtcomputer24.de/ (ab 89 Euro)

www.luxnote-hannover.de (ab 199 Euro)

www.esm-computer.de (ab 219 Euro)

Wer auf die Sicherheit, die der Kauf bei einem Händler bietet, verzichten kann, wird bei Ebay und Co noch günstigere Angebote finden.

Beachten Sie, dass der größte Schwachpunkt gebrauchter Notebook für den Einsatz als stationärer Linux-Server keine Rolle spielt – der Akku nämlich. Wenn Netbooks oder Notebooks im Dauerbetrieb an der Steckdose hängen, können Sie den Akku komplett entfernen. Das verringert auch den Stromverbrauch, weil das Gerät dann keine Veranlassung mehr hat, den Akku nachzuladen. Das Display, das ebenfalls nur eine Nebenrolle spielt und auch mit Pixelfehler für einen Server taugt, sollte per Funktionstasten so dunkel wie möglich eingestellt werden.

Ältere Platinenrechner, PCs und NUCs

Sieben Jahre nach dem ersten Raspberry Pi werden die Nachteile von Einplatinenrechnern deutlich: Sie sind nicht skalierbar und veralten rasend schnell. Wer von Anfang an mitgespielt hat und mehrfach auf leistungsstärkere Nachfolger oder Alternativplatinen umgestiegen ist, hat jetzt vermutlich die eine oder andere Platine in der Schublade, mit der sich nichts Ernsthaftes mehr anstellen lässt. Im Vergleich zu aktuellen Platinen sind die frühen Einkerner mit 512 MB RAM, langsamen Ethernet und fehlendem WLAN bestenfalls noch Bastlermaterial. Wer nicht gerne und hobby-mäßig mit Platinen experimentiert, sondern einfach eine nachhaltige Server-Hardware betreiben will, fährt vermutlich mit einem älteren Netbook, Notebook oder Intel NUC besser.

Schlecht steht es auch um die Verwertbarkeit älterer PCs: Die Größe spricht ebenso gegen einen Einsatz im Wohnzimmerschrank wie die typischen Betriebsgeräusche durch alte Lüfter und Festplatten. Außerdem verbrauchen alte wie neue Tower-PCs typischerweise 50 bis 100 Watt pro Stunde (ohne Monitor) und sind damit per se keine idealen Kandidaten für den Dauerbetrieb. Wenn diese Kriterien für Sie keine Rolle spielen, stellen sich immer noch die üblichen Fragen zur Tauglichkeit von CPU, RAM und I/O-Schnittstellen.

Die für den Servereinsatz attraktiven Mini-PCs der Sorte Intel NUC oder Zotac Zbox sind bei kommerziellen Händlern noch kaum anzutreffen. Auf Ebay und privaten Kleinanzeigen müssen Sie bei dieser Geräteklasse besonders genau verifizieren, ob das angebotene Gerät ein Laufwerk und RAM-Bausteine mitbringt.

HDT: Der Hardware-Check

Wer ein gebrauchtes Notebook gekauft oder ein altes Netbook aus dem Keller gekramt hat, muss erst einmal wissen, welche Hardware in diesem Gerät tatsächlich steckt. Was leistet die CPU tatsächlich, wieviel RAM steckt auf dem Motherboard? Funktioniert die Festplatte noch und wie groß ist sie? Dafür nutzen Sie am besten das Hardware Detection Tool (HDT, http://hdt-project.org). Falls das Gerät kein optisches Laufwerk besitzt, können Sie HDT im Handumdrehen mit

sudo dd if=hdt-0.5.2.img of=/dev/sd[x]

oder unter Windows mit dem Win 32 Disk Imager auf einen USB-Stick kopieren.

In HDT verwenden Sie vorzugsweise den „Menu mode“. Dieser zeigt unter „Summary“ schon mal das CPU-Modell mit Angabe über 32 oder 64 Bit sowie die aktuelle RAM-Kapazität. Genauer wird es unter den Kategorien „Processor“ und „Memory“, die sich mit den Cursortasten ausklappen lassen. Unter „Processor“ erscheinen das CPU-Modell, ferner die Architektur-Info („x86_64“ – „Yes“ oder „No“) sowie alle CPU-Eigenschaften als „Flags“ („pae“, „mmx“ etc.). Infos zu internen Festplatten liefert HDT unter „Disks“,

Fast noch wichtiger für die Tauglichkeit als Datenserver sind aber die Angaben unter „PCI-Devices“: Sie informieren über Grafikkarte, Soundchip, Ethernet (Fast oder Gigabit?), WLAN-Chip (altes 801.11g, brauchbares 801.11n oder sogar aktuelles 801.11ac?). Ein K.O.-Kriterium ist ferner die USB-Version. Wenn das Altgerät optimales USB 3.0 anbietet, erkennen Sie das schon äußerlich leicht an den blauen USB-Buchsen. Ob jedoch tolerierbares USB 2.0 vorliegt oder inakzeptables USB 1.x, ist äußerlich nicht erkennbar und auch unter HDT nicht ganz eindeutig zu ermitteln: Was HDT unter „PCI-Devices“ für den „USB (Host) Controller“ anzeigt, ist oft erst anhand der gezeigten Produkt-IDs zu recherchieren. Allgemein indizieren unter HDT die Abkürzungen „OHCI“ eine USB-Version 1.1, „EHCI“ Version 2.0 und „XHCI“ Version 3.0. Ganz eindeutig ist dies nicht, da auch Bezeichnungen wie OHCI2 auftauchen, was dann immerhin für USB 2.0 spricht.

Wissen, was drinsteckt: Das unabhängige, bootfähige Tool HDT (auf Heft-DVD) analysiert die komplette Hardware.

32- oder 64-Bit-CPU? PAE oder Non-PAE?

Wie Sie einem Rechner Informationen über die CPU-Architektur und die CPU-Eigenschaften entlocken, erklärt der obige Abschnitt „HDT: Der Hardware-Check“. Hier geht es um die Konsequenzen dieser Recherche.

Im Prinzip ist ein 32-Bit-Prozessor kein K.O.-Kriterium. Es gibt immer noch viele prominente 32-Bit-Systeme wie Lubuntu/Xubuntu 18.04/18.10 oder Debian 9.0.5. Auch Ubuntu 18.04 Server ist als 32-Bit-Variante zu finden (http://cdimage.ubuntu.com/netboot/bionic/). Spezialisten für ältere Hardware und damit allesamt auch in 32-Bit-Ausführung verfügbar sind Antix (https://antixlinux.com), Q4-OS (https://q4os.org/) und Bodhi Linux (www.bodhilinux.com). Im Umfeld von Linux-Distributionen erkennen Sie 32-Bit-Varianten an der Kennzeichnung „i386“ und 64-Bit-System an „amd64“, was in diesem Fall keine Einschränkung auf AMD-CPUs bedeutet.

Auch ein fehlendes PAE-Flag ist kein K.O-Kriterium: PAE steht für Physical Address Extension und befähigt 32-Bit-CPUs, mehr als 3,2 GB Arbeitsspeicher zu nutzen. Fehlt dem Prozessor diese Eigenschaft, kann Linux normalerweise nicht starten. Es gibt aber immer noch Distributionen mit einem speziellen Non-PAE-Kernel. Von Bodhi Linux 5.0 gibt es unter (https://sourceforge.net/projects/bodhilinux/files/5.0.0/) ein ISO-Image mit dem Zusatz „legacy“. Antix 17.2 ist auf Altrechner spezialisiert und bietet konsequenterweise auch noch eine Non-PAE-Variante (https://antixlinux.com/download/).

So viel zur Theorie. In der Praxis halten wir Recycling-Experimente mit 32-Bit-CPUs und erst recht mit CPUs ohne PAE-Erweiterung für grenzwertig. Praktisch alle 32-Bit-CPUs und solche ohne PAE sind älter als 15 Jahre und lohnen sich kaum mehr für neue Aufgaben. Nennenswerte Ausnahmen sind die 10 bis 12 Jahre alten Netbooks mit Intel-Atom-CPUs, die zwar größtenteils mit 32 Bit arbeiten, aber für kleine Serverrollen durchaus genügen.

32-Bit-Linux auf 64-Bit-Hardware: Wo nicht mehr taufrische 64-Bit-Hardware vorliegt, müssen Sie nicht unbedingt ein 64-Bit-Linux installieren. Die Vorteile von 64 Bit kommen erst bei mehr als vier GB RAM zur Geltung. Daher empfehlen wir für 64-Bit-CPUs und einer RAM-Ausstattung bis zu 4 GB 32-Bit-Systeme, die mit RAM und Datenträger sparsamer umgehen.

Viel RAM und 32-Bit-Linux? Das folgende Sonderproblem sollten Sie kennen, auch wenn es in der Praxis selten auftreten dürfte: Ein 32-Bit-Linux kann zwar per PAE (Physical Address Extension) mehr als 4 GB RAM nutzen, jedoch muss man jenseits von 8 GB RAM mit einer irritierenden und dramatischen Verlangsamung aller Festplattenzugriffe rechnen. 32-Bit-Systeme schalten den Festplattencache nämlich paradoxerweise ab, wenn mehr als 8 GB RAM vorhanden sind. Abhilfe schafft eine künstliche Begrenzung auf 8 GB in der Datei „/etc/default/grub“:

GRUB_CMDLINE_LINUX_DEFAULT="quiet splash mem=8G"

Besser als diese Maßnahme ist bei solcher Speicherausstattung natürlich die Wahl eines 64-Bit-Systems. Das Dilemma, auf einem Rechner mit 16 GB RAM ein 32-Bit-System wählen zu müssen, weil noch eine 32-Bit-CPU vorliegt, dürfte sich kaum ergeben.

Distributionen ohne Risiko: Lubuntu und Mint MATE

Wenn Sie ältere Hardware pragmatisch, schnell und ohne Lernaufwand wiederbeleben möchten, ist Lubuntu oder Antix Mate erste Wahl: Lubuntu läuft notfalls schon mit 256 MB RAM, bei besser ausgestatteten Rechnern nimmt sich dieses System etwa 300 MB ab Start, als CPU reicht ein Pentium III.

Beide Systeme sind nicht nur sehr genügsam, sondern bieten durch ihren konservativen Desktop mit Hauptleiste inklusive Startmenü jedem XP-Nutzer auf Anhieb eine neue Heimat. Es kommt hinzu, dass beide Distributionen eine zwar anspruchslose, aber vollständige Softwareausstattung mitbringen. Nach der Installation können Sie sofort loslegen.

Infos und Download zu Lubuntu: www.lubuntu.net

Infos und Download zu Antix: https://antixlinux.com

Anpassungen erwünscht: Xubuntu mit XFCE

Das nicht mehr ganz so schlanke Xubuntu sollte sich mit 512 MB RAM und einer CPU ab Pentium IV zufriedengeben. Auf besser ausgestatteter Hardware nimmt es sich aber ab Start bereits circa 400 MB. Für ordentliche Reserven bei der Software ist daher 1 GB RAM zu empfehlen – also noch im Rahmen der typischen Netbook-Ausstattung.

Xubuntu zeigt nach der Erstinstallation kaum Vorzüge gegenüber dem schlankeren Lubuntu oder Mint LXDE. Auch hier findet sich ein klassisches Anwendungsmenü in der Hauptleiste. Der exzellente und ausgereifte XFCE-Desktop zeigt seine Überlegenheit erst bei genauerem Hinsehen: Zum XFCE-Feinschliff gehört das zusätzlich nach Rechtsklick am Desktop stets verfügbare Anwendungsmenü oder das Drag & Drop von Dateien mit rechter Maustaste und folgendem Kontextmenü, wie Sie es unter Windows kennen. Im Hauptmenü unter „Einstellungen“ finden Sie zahlreiche Angebote, Themes, Dateimanager-Verhalten oder die Fensteroptik einzustellen. Die Anpassungsmöglichkeiten für Symbolleisten, Desktop und Dateimanager sind unerschöpflich detailliert, und dies nicht nur optisch. Xubuntu eignet sich besonders für etwas erfahrenere Nutzer, die sich die Oberfläche gerne optimal und individuell anpassen.

Infos und Download zu Xubuntu: http://xubuntu.org

Xubuntu 13.10
Ausgereiftes System für schwächere Hardware: Xubuntu mit XFCE lädt ein zur individuellen Anpassung und hat dabei etwas höhere RAM-Ansprüche als ein Windows XP.

Empfehlung für Bastler: Bodhi Linux

Auch Bodhi Linux basiert auf Ubuntu, davon sieht man aber nichts. Bodhi nutzt als Oberfläche die Eigenentwicklung Enlightenment 17 (E17). Hier wird es Hardware-technisch wirklich minimalistisch, nicht aber optisch-ästhetisch: Bodhi läuft angeblich schon mit 128 MB und einer 300-MHz-CPU. Auf unserem Test-Netbook mit einem GB RAM schlägt Bodhi nach der Anmeldung tatsächlich mit nur 103 MB zu Buche, mehr als 150 MB sind für das reine System auch im Dauerbetrieb nie zu messen. Mit 512 MB oder einem GB RAM hat Bodhi somit richtig Reserven für Browser und Anwendungen.

Was Bodhi noch spektakulärer macht: E17 ist ein ästhetisch ansprechender Desktop, der sich sogar noch verspielte Effekte leistet. Mit der „Einstellungskonsole“ lässt sich jedes winzige Detail der Oberfläche minutiös konfigurieren, Starterleiste „Engage“ und Hauptpanel „Shelf“ können Sie nach Belieben bestücken. Ein globales Startmenü ist beim Klick auf den Desktop jederzeit abrufbereit.

Bodhi hat leider auch Nachteile: So ist ein gemischtsprachiges System in Kauf zu nehmen, und die vorinstallierte Software bringt kaum das Mindeste mit. Neben Nachinstallationen muss der Bodhi-Nutzer auch Geduld mit einigen Ungereimtheiten in den unzähligen Einstellungsoptionen mitbringen.

Ein ganz großer Mangel: Der E17-eigene Dateimanager kann keinen LAN-Zugriff. Daher ist es erste Pflicht, einen zusätzlichen Dateimanager zu installieren. Hier kommen nicht beliebige in Frage, da etwa Nautilus oder Nemo die Desktop-Arbeitsfläche verändern und damit das E17-Design empfindlich stören. Es bietet sich der schlanke pcmanfm an (sudo apt-get install pcmanfm).

Infos und Download zu Bodhi Linux: www.bodhilinux.com
Zukunft und Weiterentwicklung von Bodhi Linux sind leider ungewiss. Die lange angekündigte Version 3.0 kam über den Status als Release Candidate nicht hinaus. Die Aufgabe des vielversprechenden Projekts wäre sehr bedauerlich.

Bodhi Linux
Unglaublich sparsam: Bodhi Linux begnügt sich mit 100 bis 150 MB und bietet trotzdem einen eleganten Desktop – ein System für Nutzer, die sich auf Neues einlassen und kleinere Mängel tolerieren.

Ausgereifter Minimalist: Puppy Linux

Puppy Linux spielt als spezialisierter Minimalist etwa in der Öko-Liga von Bodhi Linux und bietet dabei eine Reihe von Varianten. In erster Linie kommt Precise Puppy in Betracht, weil Sie damit die komplette Software der Ubuntu-Repositories nutzen können. Nach der Anmeldung benötigt das System circa 115 MB, als CPU genügt ein 400 MHz-Prozessor. Anders als Bodhi Linux sieht man Puppy, das primär für den mobilen Einsatz auf USB- und CD-Medien konzipiert ist, seinen Sparkurs deutlich an. Installation und Einrichtung setzen etwas Erfahrung voraus. Ungeachtet seiner pragmatisch-spröden Bedienung hat Puppy Linux 10 Jahre Entwicklung hinter sich und ist neben Bodhi Linux der reifere Minimalist.

Einen ausführlichen Beitrag zu den Puppy-Varianten bietet der Artikel Puppy-Systeme – klein und schnell

Infos und Download zu Puppy Linux: http://puppylinux.org

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Das Heimnetz: Hardware, Tipps und Tools

Der kompakte Beitrag zum lokalen Netzwerk bespricht die typische Hardware für das private Heimnetz und Home Office und die wichtigsten Konfigurationseinstellungen und Netzwerkkommandos für Desktop und Server.

Netzwerke sind Hardware-seitig unglaublich flexibel und ausbaufähig. Linux wiederum ist für das Netzwerken geschaffen und macht als Netzwerk-Client wie als Server eine glänzende Figur. Dieser Beitrag liefert Basiswissen und vertiefende Tipps für ein optimiertes Heimnetz. Dabei geht es ausschließlich um das lokale LAN- und WLAN-Netz mit typischen Geräten, Kommunikationsprotokollen, Freigaben und Serververwaltung. Das öffentliche Netz, das Internet, bleibt komplett außen vor – siehe dazu diesen Artikel: Tipps und Tools fürs Internet

1. Der grafische Network-Manager

Sowohl für Ethernet als auch für WLAN erfolgt die grafische Netzwerkverwaltung unter fast allen Desktop-Distributionen über das Applet des Network-Managers in der Systemleiste. Auf Gnome-affinen Distributionen können Sie die dafür zuständigen Komponenten notfalls auch über

sudo apt-get install network-manager network-manager-gnome

nachinstallieren. In Ubuntu erscheint das Icon in der Systemleiste am oberen Bildschirmrand. Nach einem Klick darauf sehen Sie ein Menü mit einer Liste der verfügbaren Funknetzwerke. Klicken Sie das gewünschte an, geben Sie hinter „Passwort“ den WPA-Schlüssel ein, und klicken Sie auf „Verbinden“. Ist eine Ethernet-Verbindung aktiv, erscheint dieses unter „Kabelnetzwerk“. Im Menü gibt es außerdem die Einträge „Netzwerk aktivieren“ und bei WLAN „Funknetzwerk aktivieren“. Vor beiden muss ein Häkchen gesetzt sein, damit die Verbindung funktioniert.

Bei Fehlfunktionen sollten Sie über „Verbindungen bearbeiten“ die Einstellungen prüfen und gegebenenfalls ändern. Wählen Sie etwa „Kabelnetzwerkverbindung 1“, klicken Sie auf „Bearbeiten“ und gehen Sie auf die Registerkarte „IPv4-Einstellungen“. Hinter „Methode“ sollte hier „Automatisch (DHCP)“ eingetragen sein. Es ist nur in Ausnahmefällen ratsam (Server, Access Points, Netzdrucker), feste IP-Adressen manuell zu konfigurieren, damit das Gerät immer unter der gleichen IP-Adresse erreichbar ist (siehe -> Punkt 9).

Tipp: Der Network-Manager unterstützt keine deutschen Umlaute beim WLAN-Passwort. Vermeiden Sie daher WLAN-Kennwörter mit „ä“, „ö“, „ü“, „ß“ in der Router- oder Access-Point-Konfiguration.

Aktuelle Linux-Systeme nutzen den Network-Manager für den Verbindungsaufbau. Das Tool steuert über „Verbindungsinformationen“ sogar subtile Details wie die MTU-Paketgrößen.

2. Klassische Netzwerk-Konfiguration

Distributionen ohne Network Manager verwenden die klassische Linux-Konfiguration über die Datei /etc/network/interfaces. Deren Einträge haben in jedem Fall Vorrang vor denen des Network-Managers. Fehlerhafte Angaben an dieser Stelle können daher auch den Network-Manager lahmlegen. Standardmäßig enthält die Datei interfaces auf Desktop-Systemen nur die zwei Zeilen

auto lo
iface lo inet loopback

für den Loopback-Adapter (siehe dazu -> Punkt 3).

Für einen Server ohne grafischen Network Manager wären die folgenden Zeilen eine gültige Konfiguration für den Ethernet-Adapter, der hier die feste IP „100“ beziehen soll:

auto eth0
iface eth0 inet static
address 192.168.0.100
netmask 255.255.255.0
gateway 192.168.0.1
dns-nameservers 8.8.8.8

Der Adressraum „192.168.0.x“ muss natürlich angepasst werden, bei Fritzbox-Routern ist „192.168.178.x“ typisch. Spielt die IP keine Rolle (dynamisch über DHCP), dann genügen zwei Zeilen:

auto eth0
iface eth0 inet dhcp

Die Einstellungen werden erst nach einem Neustart wirksam.

3. Netzwerkadapter mit ifconfig im Griff

Das Terminaltool ifconfig ist unentbehrlich für die Anzeige der Netzadapter und beherrscht auch fundamentale Eingriffe. Bei purer Eingabe ifconfig erhalten Sie die IP-Adresse des Geräts, die physikalische MAC-Adresse des Netzadapters, ferner die Download- (RX) und Upload-Datenmenge (TX) seit dem letzten Systemstart. Der Ethernet-Adapter erscheint als „eth0“ (oder „enp6s0“), der WLAN-Adapter als „wlan0“. Die angezeigte „lo“-Schnittstelle mit der IP-Adresse 127.0.0.1 existiert nicht physisch: Bei dieser „lokalen Schleife“ (Loopback) handelt es sich um eine zum lokalen System zurückführende Schnittstelle, womit lokale Prozesse via TCP/IP miteinander kommunizieren.

Wenn ifconfig nur den virtuellen Loopback Adapter „lo“ anzeigt, hat Linux den Ethernet-Adapter Hardware-technisch nicht erkannt. Bei Ethernet-Adaptern ist das so gut wie ausgeschlossen. Was Sie bei WLAN-Adaptern in diesem Fall unternehmen können, lesen Sie im Hardware-Kasten („WLAN-Adapter unter Linux“).

Mit „down“ und „up“

sudo ifconfig eth0 down

schalten Sie einen Adapter, in diesem Fall mit „eth0“ den Ethernet-Anschluss, aus oder wieder ein.

Der nachfolgende Befehl

sudo ifconfig eth0 192.168.0.222

fordert eine neue lokale IP-Adresse vom Router. Dies führt zwar zu einer inkonsistenten Netzkonfiguration, sollte aber nach wie vor den Zugriff auf die Router-Oberfläche ermöglichen. Dort können Sie dann diese Wunsch-IP als feste IP festlegen.

Download- (RX) und Upload-Menge (TX): Ifconfig zeigt unter anderem auch den Datendurchsatz am betreffenden Adapter seit dem Systemstart.

4. WLAN-Konfiguration mit iwconfig und iwlist

Die manuelle Konfiguration des WLAN-Adapters ist nur nötig, wenn Sie einen Headless-Server ohne Monitor, Maus, Tastatur per SSH konfigurieren. Folgende Kombination von Netzwerkkommandos, die allesamt zum Linux-Standard gehören, kann das erledigen:

sudo iwlist scanning
sudo iwconfig wlan0 essid [Netzname] key s:[Passwort]
sudo dhclient wlan0

iwlist zeigt zunächst die verfügbaren Funknetze (Netznamen als „ESSID“), und iwconfig verbindet zum gewünschten Netz: Nach „essid“ folgt der Netzname, nach „key“ das WLAN-Passwort. Da nicht der hexadezimale Schlüssel, sondern das Passwort übergeben wird, muss das mit „s:“ signalisiert werden. Zu guter Letzt bezieht der Rechner mit dhclient eine IP-Adresse vom Router.

Speziell bei Ubuntu-basierten Systemen ist diese Vorgehensweise aber oft erfolglos. Hier empfiehlt sich auch bei späteren Headless-Servern zunächst die Grundkonfiguration des Funknetzes mit dem grafischen Network Manager.

5. LAN-Rechner mit ping prüfen

Ping gehört überall zur Linux-Standardausstattung. Das einfache Tool prüft, ob der aktuelle PC Verbindung zum Router („ping 192.168.0.1“) hat oder ob ein anderer PC im lokalen Netz („ping 192.168.0.10“) erreichbar ist. Neben der schlichten Recherche, ob sich der befragte Host überhaupt meldet, gibt es auch qualitative Aussagen: Im Heimnetz sollten keine verlorenen Datenpakete auftreten („packet loss“) und die Antwortzeiten unter zehn Millisekunden liegen, während Pings ins Web selten unter 20 Millisekunden antworten.
Ping ohne Counter („-c“) läuft endlos, lässt sich aber mit der Tastenkombination Strg-C abbrechen. Ist der Router mit ping nicht erreichbar, hilft oft das Aus- und Einschalten des Netzwerkadapters, um eine neue IP-Adresse zu beziehen.

6. Nmap-Pings an alle Geräte im lokalen Netz

Ping (siehe -> Punkt 5) kann Hostnamen auflösen („ping fritz.box“), übersetzt aber keine IP-Adressen zu Hostnamen. Außerdem kann es – ohne Scriptunterstützung – nur auf eine Adresse losgeschickt werden. Für eine Komplettübersicht im lokalen Netz hilft nmap. Nmap ist in der Regel nicht vorinstalliert, aber mit seinem Paketnamen „nmap“ in allen Repositories erhältlich. Folgende nmap-Kommandos

nmap -sP 192.168.0.1-50
nmap -sP 192.168.0.*

schicken Ping-Anfragen an die ersten 50 und alle 255 Adressen des Adressraum. Der schnelle Ping-Scan zeigt dann alle laufenden Netzgeräte mit Host-Namen und IP-Adresse.
Ohne Ping-Parameter („-sP“) macht nmap sorgfältige und zeitaufwändige Portscans: Sie erhalten zu jedem Rechner Host-Namen, IP-Adresse, MAC-Adresse und die Liste aller offenen Ports. Ist der Vorgang für den gesamten lokalen Adressraum zu langwierig, lässt sich auch ein einzelner PC befragen (nmap 192.168.0.10 oder auch mit Hostnamen nmap raspberry).

Überblick mit nmap: Der Portscanner taugt auch für einfache Ping-Abfragen im gesamten lokalen Adressraum und löst dabei die Host-Namen auf.

7. Netzwerksicherheit mit Nmap-Portscans

Risiken für Ihr Heimnetz entstehen durch offene Ports, die den Zutritt über das Internet in Ihr lokales Netz erlauben. Handelt es sich um Portfreigaben im Router, die Sie selbst eingerichtet haben, dann ist das in Ordnung, wenn nicht, bedeuten offene Ports Alarmstufe rot. Kontrolle über eventuell vergessene Portfreigaben erhalten Sie im Router, so etwa in der Fritzbox unter „Internet -> Freigaben -> Portfreigaben“. Einen objektiven Test, der auch innere Feinde in Form von laufender Schadsoftware entlarvt, können Sie mit nmap realisieren.

Zunächst müssen Sie Ihre öffentliche IP-Adresse ermitteln. Die kennt zum Beispiel Ihr Router („Übersicht“ in der Fritzbox), sie kann aber auch mit einem Tool wie inxi ermittelt werden („WAN IP“ nach Eingabe inxi -i). Die öffentliche WAN-IP, beispielweise 178.23.136.15, prüfen Sie dann mit diesem Kommando:

sudo nmap -Pn 178.23.136.15

Dabei untersucht nmap die Standardports von 1 bis 1000. Sämtliche Ports erfassen Sie mit diesem Befehl:

sudo nmap -Pn -p0-65535 178.23.136.15

Dieser Scan durchläuft alle Ports von 1 bis 65535 und dauert sehr lange. Als Ergebnis sollten Sie, sofern Ihr Netz für das Internet komplett geschlossen sein soll, die Antwort erhalten „All scanned ports are filtered“. Wo immer das nicht der Fall ist und die Ursache unklar, weil dafür keine Portfreigabe im Router vorliegt, gehen Sie mit der angezeigten Portnummer der Sache auf den Grund:

sudo nmap -sV -Pn -p[Nummer] 178.23.136.15

Mit Schalter „-sV“ zeigt nmap an, welches Programm oder welcher Dienst diesen Port benutzt. Ist dieser Prozess unerwünscht, beenden Sie den Verursacher mit einem Taskmanager umgehend (in der „Systemüberwachung“ oder mit top/htop im Terminal) und dauerhaft durch Deinstallieren und Löschen der Programmdateien.

„All ports filtered“: Dieses nmap-Ergebnis stellt sicher, dass Ihr lokales Netz über das Internet nicht erreichbar ist. Offene Ports würde nmap als „OPEN“ melden.

8. MAC-Adressen mit arp ermitteln

Jeder Netzadapter hat eine eindeutige MAC-Adresse der Form C2:22:09:F2:5F:E8 (sechs zwei-stellige Hexadezimalzahlen). Die brauchen Sie zum Beispiel dann, wenn Sie im Router feste IP-Adressen oder Zugangskontrollen einrichten wollen (siehe -> Punkt 9). Der Router selbst kennt und zeigt natürlich sämtliche MAC-Adressen. Am lokalen Rechner zeigt ifconfig (siehe -> Punkt 3) immerhin dessen MAC-Adresse(n) als „Hardware Adresse“ an. Der Befehl arp (Address Resolution Protocol) kann noch mehr:

arp –a

Dies wirft die MAC-Adressen aller in letzter Zeit verbundenen Netzgeräte aus. Da der Arp-Cache seine Daten periodisch verwirft, ist vielleicht momentan genau das gesuchte Gerät nicht in der Liste. Wenn Sie aber vorher einen Ping an das Gerät schicken und dann arp -a befragen, erhalten Sie zuverlässig die MAC-Adresse des entfernten Geräts.

9. Feste IPs im Router einrichten

Server, aber auch Geräte wie Access Points, WLAN-Repeater oder Netzwerkdrucker verdienen eine feste lokale IP-Adresse, damit Sie Konfigurationsoberflächen oder Daten zuverlässig erreichen (etwa via Browser-Lesezeichen oder in Scripts). Die Vergabe fester IP-Adressen erledigt am besten zentral der Router, der die IPs als DHCP-Server vergibt. Der betreffende Punkt kann „DHCP-Reservierung“ oder ähnlich lauten. In der Fritzbox finden Sie diese Möglichkeit unter „Heimnetz –> Netzwerk“. Dort erscheint für die eingetragenen Netzwerkgeräte die Option „Diesem Netzwerkgerät immer die gleiche IP-Adresse zuweisen.“

Dabei kann aber nur die gerade aktuelle IP als künftig konstante IP eingestellt werden. Wenn Sie eine ganz bestimmte andere IP wollen, lassen Sie sich unter „Heimnetz -> Heimnetzübersicht“ die Details des gewünschten Netzgeräts anzeigen und notieren sich die MAC-Adresse („Geräteinformation“). Danach verwenden Sie „Heimnetz -> Heimnetzübersicht -> Netzwerkverbindungen -> Gerät hinzufügen“. Dort können Sie unter Angabe der „MAC-Adresse“ die Wunsch-IP vergeben. Der Router wird melden, dass ihm das Gerät unter einer anderen IP bekannt ist, und Sie müssen mit „OK“ bestätigen, dass Sie die Einstellung überschreiben wollen. Danach sollten Sie das Gerät (oder dessen Netz-Adapter) neu starten.

Feste IP für bestimmte Netzgeräte: Diese Aufgabe löst mancher Lowcost-Router logischer als die Fritzbox – hier ein Dlink-Router unter „DHCP-Reservierung“.

10. Server: Fritz-NAS als zentraler Speicher

Wer „nur“ einen zuverlässigen Datenserver braucht und eine Fritzbox als Router besitzt, braucht nicht notwendig einen Server oder Platinenrechner. Mit der Fritzbox reduziert sich der Einrichtungsaufwand auf ein Minimum: Wenn Sie unter „Heimnetz -> Speicher (NAS)“ die NAS-Funktion über „Speicher (NAS) aktiv“ einschalten, ist sofort der interne Speicher im Netz verfügbar. 512 MB bis 1,5 GB bieten neuere Fritzboxen an internem Speicher an. Das reicht natürlich nicht für einen Datenserver. Sobald Sie aber an einen der beiden USB-Ports einen USB-Datenträger anschließen, wird dieser unter „Heimnetz -> Speicher (NAS)“ angezeigt und kann dort durch die Klickbox aktiviert werden.

Das Fritz-NAS arbeitet wie eine Samba-Freigabe unter Linux: Der Standard-Hostname „fritz.nas“ (Standard-IP ist xxx.xxx.xxx.254) erscheint unter „Netzwerk“ im Dateimanager von Linux- und Windows-PCs, und die Daten lassen sich nutzen, sofern sich der Netzteilnehmer ausweisen kann. Die Einrichtung mindestens eines Benutzerkontos erledigen Sie unter „System -> Fritz!Box-Benutzer“. An dieser Stelle sind differenzierte Schreib- und Leserechte und Ordnerfreigaben möglich wie unter Linux üblich. Standardmäßig gibt die Fritzbox „Alle…verfügbaren Speicher“ mit Lese- und Schreibrecht frei.

Fritz-Datenserver auf der Konfigurationsoberfläche und im Dateimanager: Die Einrichtung eines USB-Datenträgers im Fritz-NAS ist einfacher als jede Server-Lösung.

11. Server-Freigaben mit Samba im Terminal

Wer es sich bequem machen will, wird auch auf einem ferngewarteten Platinenserver ein Serversystem mit einer klickfreundlichen Weboberfläche einsetzen. Erste Wahl für Raspberry & Co ist aktuell die NAS-Distribution Open Media Vault (openmediavault.org). Wirklich notwendig ist ein solcher Überbau für einen einfachen Datenserver im Heimnetz allerdings nicht. Wenige Kommandos im Terminal des Servers oder per SSH auf einem anderen Netzrechner (siehe -> Punkt 13 und 17) genügen, um Netzwerkfreigaben via Samba einzurichten. Voraussetzung ist zunächst ein installiertes Samba-Server-Paket (bei Server-Distributionen meist schon vorinstalliert):

sudo apt update
sudo apt upgrade
sudo apt install samba-common samba

Jeder Benutzer, der auf Freigaben zugreifen darf, muss ein Systemkonto mit Passwort besitzen:

sudo adduser sepp

Das Benutzer-Passwort wird nach Eingabe dieses Befehls automatisch abgefragt.
Ferner muss der Benutzer zusätzlich ein Samba-Kennwort erhalten, denn Samba hat seine unabhängige Kennwortverwaltung:

sudo smbpasswd -a sepp

Danach genügt folgender Befehl, um ein Verzeichnis dauerhaft über das Netzwerk freizugeben:

sudo net usershare add sepp /home/sepp "" sepp:f

Hier wird das Verzeichnis /home/sepp als Freigabe mit dem Namen „sepp“ für den gleichnamigen User im Netzwerk freigegeben.

12. Samba-Konfiguration in der Datei smb.conf

Samba verwendet als einzige Konfigurationsdatei /etc/samba/smb.conf. Darin sind die Basis-Einstellungen für den Samba-Server und auch die Freigaben festgelegt. Das Editieren der smb.conf ist umfassender und oft auch bequemer als net-Befehle auf der Kommandozeile:

sudo nano /etc/samba/smb.conf

Arbeitsgruppe: Mit „workgroup=WORKGROUP“ unter „[global]“ legen Sie die Arbeitsgruppe fest. Windows verwendet die Gruppe ebenfalls standardmäßig, sodass Sie die Einstellung belassen können. Wenn Sie in Ihrem Netzwerk eine anders benannte Gruppe verwenden, ändern Sie den Wert entsprechend. Für den Zugriff auf die Freigaben ist die Arbeitsgruppe nicht wesentlich, jedoch zeigen Linux-Datei-Manager nicht einfach alle Rechner mit Freigaben in einer Liste an, sondern organisieren sie in Arbeitsgruppen unterhalb von „Windows-Netzwerk“. Sie sparen sich unnötige Mausklicks, wenn Sie alle Rechner in derselben Gruppe unterbringen.

Home-Verzeichnisse freigeben: Weiter unten in der smb.conf gibt es einen auskommentierten Abschnitt, der mit „;[homes]“ beginnt. Entfernen Sie die Kommentarzeichen (Semikolon), um die Home-Verzeichnisse aller Benutzer standardmäßig freizugeben. Soll auch der Schreibzugriff erlaubt sein, ändern Sie „read only = yes“ auf „read only = no“. Wenn ein authentifizierter Benutzer auf den Server zugreift, sieht er nur sein eigenes Home-Verzeichnis als Freigabe.

Allgemeine Freigaben: Eine neue Freigabe für ein beliebiges Verzeichnis lässt sich über drei Zeilen realisieren, die Sie am Ende der Datei smb.conf einfügen:

[data]
path = /media/data
writeable = no

In diesem Beispiel wird das Verzeichnis „/media/data“ unter der Bezeichnung „data“ freigegeben. Der Ordner muss existieren und die Benutzer müssen auf der Ebene des Dateisystems zumindest Leserechte besitzen.

Achtung: Änderungen in der smb.conf werden erst wirksam, wenn Sie den Samba-Dienst mit

sudo service smbd restart

neu starten:

Samba konfigurieren: Alle nötigen Einstellungen für den Samba-Server und die Netzwerk-Freigaben nehmen Sie in der Datei /etc/samba/smb.conf vor.

13. SSH-Serverwartung mit Linux und Mac OS X

Kein Server ohne Secure Shell (SSH)! Selbst wenn Sie einen (Raspberry-) Server mit Webserver und freundlicher Konfigurationsoberfläche betreiben, bleibt die SSH-Wartung auf der Kommandozeile das umfassendste, schnellste und direkteste Werkzeug. Einzige Voraussetzung auf dem Server ist ein installierter Open-SSH-Server (auf typischen Server-Distributionen wie Cent OS, Ubuntu Server oder Open Media Vault standardmäßig installiert und aktiv). Wo er noch fehlt, ist das mit

sudo apt-get install openssh-server

leicht zu korrigieren.
Die Client-Komponente für den Fernzugriff bringt jedes Linux- und Mac-System mit. Dort genügt dann der Befehl

ssh [benutzer]@[IP-Adresse]

für die Anmeldung auf dem entfernten Server, also etwa:

ssh root@192.168.0.10

Beim allerersten Zugriff auf einen Server ist dem Client-System der Rechner noch nicht bekannt, und Sie müssen die Verbindung mit „yes“ bestätigen. Künftig entfällt diese Abfrage, weil der Fingerabdruck des Servers auf dem Client unter .ssh/known_hosts gespeichert wird. Nach Erlaubnis der Verbindung mit „yes“ erfolgt die Abfrage des User-Kennwort. Auf dem Remote-Terminal können Sie alle Befehle verwenden wie in einem lokalen Terminal. Sie bearbeiten Konfigurationsdateien, installieren Programme mit apt-get oder versorgen das System mit Updates. Der Befehl exit oder die Tastenkombination Strg-D beenden die SSH-Verbindung.

14. SSH-Datenaustausch mit dem Midnight Commander

Der Midnight Commander (MC) erlaubt unter Linux und Mac OS den direkten Datenaustausch zwischen Server und Client (anstatt über scp-Kommandos oder auf dem Umweg von Samba-Freigaben). Es beherrscht nämlich selbst SSH über die Option „Shell-Verbindung“ in den Menüs „Links/Rechts“. Wie bei ssh auf der Kommandozeile geben Sie hier den Servernamen oder die IP-Adresse an, optional bereits mit dem gewünschten User (etwa: root@192.168.0.10). Nach Eingabe des Kennworts zeigt der Midnight Commander in einer Fensterhälfte das Dateisystem des Servers, in der anderen das des zugreifenden Client – Sie können als root sofort Dateien im gesamten Dateisystem austauschen.

Der MC erwartet die Kommunikation über den SSH-Standardport 22. Für abweichende Ports gibt es eine spezielle Lösung: Legen Sie auf dem zugreifenden Linux-Client-System (nicht auf dem Server!) unter ~/.ssh die Datei „config“ neu an. Dort definieren Sie einen oder auch mehrere Server in folgender Weise:

Host raspi
Hostname 192.168.0.20
Port 12345
User root

Ab sofort genügt es, im MC beim Eingabefeld der „Shell-Verbindung“ als Host den Namen „raspi“ einzugeben. Alle übrigen Infos über IP, Port, User liest der MC aus der config-Datei.

Der Midnight Commander beherrscht SSH und bringt das Dateisystem des Servers direkt zum SSH-Client. Links sehen Sie den bereits verbundenen Server, rechts den Client-PC.

15. Linux-Dateimanager und Netzressourcen

Linux-Dateimanager wie Nautilus (Ubuntu) oder Nemo (Mint) können mit allen Netzressourcen inklusive Samba, FTP, Webdav und SSH umgehen. Wenn Sie in der Navigationsspalte auf  „Netzwerk“ gehen, werden die Netzrechner angezeigt, Windows- und Samba-Freigaben unter „Windows-Netzwerk“. Über die Adresszeile (editierbar nach Strg-L) können Sie direkte Serveradressen eingeben. Bei Windows- und Samba-Freigaben verwenden Sie „smb://[Server]/[Freigabename]“, wobei statt „[Rechner]“ immer auch die IP-Adresse des Servers funktioniert. Bei der Fernwartung von Servern mit SSH bieten Dateimanager oft komfortablere Bearbeitungsmöglichkeiten als das SSH-Terminal. Eine typische Adresse im Dateimanager könnte so lauten:

ssh://root@192.168.0.8[:Port]

Die Angabe der Portnummer ist nur notwendig, wenn der Port vom Standard „22“ abweicht. Nach der Anmeldung kopieren und bearbeiten Sie Daten bequem und sicher direkt im Dateimanager über das Protokoll SFTP.

Mit dem grafischen Dateimanager auf dem SSH-Server: Desktop-Dateimanager wie hier Nemo unter Linux Mint beherrschen das SSH-Protokoll ebenso wie Samba oder FTP.

16. Grafische Programme über SSH (X11-Forwarding)

Sofern es auf dem Server grafische Programme gibt, lassen sich diese auch über SSH starten und auf dem Client-PC anzeigen. Unter Linux als zugreifender Client ist der Aufwand am geringsten: Hier verwenden Sie beim SSH-Aufruf einfach den Schalter „-X“ (Großschreibung!):

ssh –X root@192.168.0.10

In der SSH-Konsole starten Sie dann etwa mit thunar oder gedit das gewünschte, grafische Programm.
Der SSH-Client von Mac OS X unterstützt nur die pure Kommandozeile. Für grafisches X11-Forwarding ist die zusätzliche Komponente XQuartz erforderlich (http://xquartz.macosforge.org/landing/).

17. SSH-Clients unter Windows (Putty / Xming)

Wenn Sie einen Linux-Server mit einem Windows-PC warten wollen, sind Sie auf Putty oder seinen fast identischen Klon Kitty angewiesen (auf Heft-DVD, Downloads und Infos unter www.putty.org und www.9bis.net). Kitty unterscheidet sich dadurch, dass es die automatische Übergabe des Passworts erlaubt („Connection -> Data“) und damit eine automatische Anmeldung, ferner dass es die Server-Daten in Klartextdateien unter \Kitty\Sessions ablegt (statt in der Windows Registry).

Putty/Kitty bieten die komfortable Verwaltung mehrerer Server. Die Basiskonfiguration ist einfach: Geben Sie unter „Host Name“ den Rechnernamen oder die IP-Adresse des Servers an. Mit „Connection type: SSH“ und dem vorgegebenen Standardport 22 können Sie sich mit „Open“ sofort verbinden. Für häufigeren Zugriff lohnt es sich, unter „Saved Sessions“ eine aussagekräftige Bezeichnung zu verwenden, „Appearance“, „Color“ und „Data“ (Benutzer) einzustellen und dies mit „Save“ dauerhaft zu speichern. Unter „Window -> Translation -> Remote character set“ sollten Sie den Eintrag „UTF-8“ wählen, damit Sonderzeichen und Linien in der SSH-Konsole korrekt angezeigt werden. Putty/Kitty dienen ausschließlich als SSH-Vermittlungsclient und Serververwaltung, die eigentliche Arbeit geschieht wie unter Linux im Terminal.

Grafische Programme über X11-Forwarding: Auch unter Windows bringen Sie grafische Programme des Servers auf den Desktop. Neben Putty/Kitty benötigen Sie dazu noch den kostenlosen X-Server Xming (http://sourceforge.net/projects/xming/). Xming muss laufen, bevor Sie die SSH-Session starten. Unter Putty/Kitty aktivieren Sie die maßgebliche Option unter „Connection -> X11 -> Enable X11 forwarding“ und tragen als „X display location“ die Angabe „localhost:0“ ein. Sichern Sie die Konfiguration mit „Session -> Save“. Die so gestartete SSH-Sitzung erlaubt wie unter Linux den Aufruf von grafischen Programmen.

Putty/Kitty unter Windows: Die Angabe der IP-Adresse und des Ports (Standard 22 ist voreingestellt) genügen. Benutzer und Kennwort werden dann bereits in der Konsole abgefragt.

Netzwerk-Hardware

Nachfolgend geht es um den Umgang mit der wichtigsten Netzwerk-Hardware, Optionen des Netzwerkausbaus und wichtige Konfigurationsmöglichkeiten. Ein Großteil dieser Infos gilt Betriebssystem-unabhängig: Für Router, Switch, Access Point, Repeater, Powerline-Adapter spielt das System eines Netzwerkgeräts keine Rolle.
Generell gilt im Netzwerk noch deutlicher als anderswo: Wenn die Hardware unzureichend, veraltet oder defekt ist, helfen keine Software-Tipps. Insbesondere bei diffusen Phänomenen eines zeitweise funktionierenden, aber immer wieder unterbrechenden Netzwerks sind Fehleranalyse und Austausch der Komponente alternativlos. Ein stabil langsames Netz ist hingegen nur eine Frage der Toleranz: Ausbaumöglichkeiten gibt es genug.

Die Router-Adresse

Die zahlreichen Router-Funktionen lassen sich in dessen Konfigurationsoberfläche über den Browser steuern. Dessen IP-Adresse lautet oft 192.168.178.1 oder 192.168.0.1, ist aber auch leicht zu ermitteln. Der Befehl

ip route show

zeigt die Adresse nach „default via …“ an. Im Prinzip genügt auch der Befehl ifconfig, wenn Sie im vierten Block der IPv4-Adresse statt der angezeigten Ziffer (die IP des aktuellen Geräts) die „1“ einsetzen.

Der Router zeigt eine wichtige Geräteübersicht mit allen Gerätenamen, IP- und MAC-Adressen (in der Fritzbox unter „Heimnetz -> Heimnetzübersicht“). Einige weitere fundamentale Router-Optionen wie die Vergabe von festen IP-Adressen oder den Hinweis auf das Fritzbox-NAS finden Sie im Haupttext (-> Punkt 9 und 10).

Der Gigabit-Switch

Im lokalen Netz verläuft nicht der gesamte Datenverkehr durch den Router: Wenn in einem Raum Kabelnetz verfügbar ist und dort ein Netzwerk-Switch mehrere Endgeräte verbindet, dann regelt der Switch den Datenaustausch dieser Geräte direkt – ohne Umweg zum Router und vor allem ungeachtet des sonstigen Netzdurchsatzes. Es wäre also falsch, im Hinblick auf die allgemeine Netzwerkleistung (Fast Ethernet, Powerline, WLAN?) auf einen Gigabit-Switch zu verzichten. Wenn die angeschlossenen Clients Gigabit-Ethernet beherrschen, lässt sich der Datenaustausch dieser Geräte erheblich optimieren.

WLAN-Adapter unter Linux

Externe WLAN-Adapter an USB sind nicht immer Linux-kompatibel. Wer Treiberproblemen aus dem Weg gehen will, kann sich an die folgenden preiswerten Empfehlungen halten (Preise bei amazon.de und conrad.de, Dezember 2016):

Edimax EW-7811UN Wireless USB Adapter (6,80 €)
Asus N10 Nano WLAN-Stick (10,15 €)
TP-Link TL-WN823N N300 Mini WLAN USB Adapter (10,00 €)
CSL 300 Mbit/s USB 2.0 WLAN Stick (12,50 €)
Fritz!Wlan USB Stick-N v2.4 (22,99 €)

Viele weitere WLAN-Adapter sind Linux-tauglich oder werden es nach gewisser Handarbeit. Eine Übersicht für Ubuntu-basierte Systeme (incl. Linux Mint) gibt die Seite https://wiki.ubuntuusers.de/WLAN/Karten/.

Troubleshooting: Wenn Linux keinen Treiber für den WLAN-Chipsatz eines Notebooks oder für einen USB-WLAN-Adapter anbietet, bleibt die Netzwerkschnittstelle unerkannt und der Network Manager an der grafischen Oberfläche kann keine Funknetze anbieten. Dann gilt es herauszufinden, mit welchem Chipsatz ein Gerät arbeitet. Bei Netzwerkkarten und internen Chips gehen Sie im Terminal

lspci |grep -i network

ein: Sie erhalten eine Liste aller Netzwerkgeräte im PCI-Bus mit Hersteller, Typenbezeichnung und Revisionsnummer. USB-Adapter sind weniger gesprächig. Eventuell zeigt der Stick selbst eine genaue Typenbezeichnung inklusive Revisionsnummer. Notfalls hilft der Befehl lsusb. Der zeigt Hersteller und Geräte-ID im Format XXXX:YYYY:

BUS 003 Device 004: ID 2001:3c15 D-Link Corp.

Der Teil vor dem Doppelpunkt bezeichnet den Hersteller (XXXX), die darauf folgende Zeichenkette (YYYY) ist das Gerät, in diesem Fall „3c15“. Beides ist auf der Seite www.linux-usb.org/usb.ids zu entschlüsseln. Nutzen Sie hier die Suchfunktion im Browser, um den exakten Gerätenamen mit Revisionsnummer anhand der ID zu ermitteln. Die Nummer ist wichtig, da viele Hersteller verschiedene Chipsätze verbauen, ohne die Typenbezeichnung zu ändern.

Mit der exakten Typenbezeichnung ist viel erreicht: Damit kann eine gezielte Suche nach Linux-Treibern starten. Erste Anlaufstelle ist nicht der Hersteller, sondern das Supportforum der verwendeten Distribution. Eine der besten Ressourcen im Web ist die schon genannte Adresse http://wiki.ubuntuusers.de/WLAN/Karten mit Hinweisen und Installationsanleitungen. Etliche Module für WLAN-Chipsätze gibt es für verbreitete Distributionen als fertiges Paket. Dann ist der Modulname über den Paketmanager der Distribution zu finden.

WLAN-Repeater einrichten

Ein Repeater vergrößert die Reichweite des Funksignals. Die je nach Ausstattung und Sendeleistung zwischen 20 und 100 Euro teuren Geräte sind die einfachste Methode, mangelhaftes WLAN zu verbessern. Leistungstechnisch sind aber andere Alternativen überlegen (siehe unten: Access Point, Powerline).

Falls es für eine Repeater-Ersteinrichtung keine WPS-Option gibt, können Sie das Gerät auch manuell einrichten. Dazu stecken Sie das Gerät in der Nähe eines PCs in eine Steckdose. Danach klicken Sie unter Linux auf den Network-Manager in der Systemleiste. Hier sollte ein zusätzliches Netz mit dem Namen des Repeaters erscheinen, mit dem Sie sich „Verbinden“. Der Sicherheitsschlüssel lautet oft „00000000“, ein eventuell abweichendes Standardkennwort verrät das Doku-Heftchen. Danach laden Sie die Repeater-Konfigurationsoberfläche im Browser. Netzwerknamen wie etwa „fritz.repeater“ funktionieren nicht immer. In diesem Fall müssen Sie die IP-Adresse des Repeaters eingeben, die Sie über die Liste der WLAN-Geräte im Router herausfinden. Einzige fundamentale Einstellung in der Konfiguration ist die Wahl des Funknetzes, das der Repeater verstärken soll. Aktivieren Sie in dieser Liste den Namen Ihres Netzes, und geben Sie das Kennwort für dieses Funknetz ein.

Bei der automatischen Ersteinrichtung übernehmen Repeater den Netznamen (SSID) der Basisstation. Das ist von Nachteil, wenn Sie mit Tablets oder Smartphones in der Wohnung unterwegs sind: Viele Geräte wechseln zwar automatisch zum Sender mit der optimalen Signalstärke, aber längst nicht alle und nicht alle schnell genug. Daher ist es besser, selbst entscheiden zu können, mit welchem WLAN-Sender man sich verbindet. Dazu sollte der Repeater einen eigenen Namen melden wie etwa „Repeater“. Dies lässt sich in der Konfigurationsoberfläche einstellen, etwa beim Fritz Repeater unter „WLAN -> Funkeinstellungen“.

Bei einem Repeater besteht wenig Tuningbedarf, aber es ist immer besser, wenn Sie die Konfigurationsoberfläche über eine feste IP erreichen. Geräte wie der Fritz Repeater bieten diese Möglichkeit nicht an. Die feste IP müssen Sie daher im Router definieren, wie im Haupttext unter -> Punkt 9 beschrieben.

WLAN-Access-Points einrichten

Wo das Router-Funknetz wichtige Räume nicht abdeckt, verwenden Sie an diesem Standort vorzugweise einen Access Point. Der bietet für etwa 40 Euro aufwärts deutlich besseren Datendurchsatz als ein Repeater, setzt allerdings voraus, dass am betreffenden Ort ein Zugang zum Kabelnetz besteht. Ob es sich dabei um eine direkte Kabelvernetzung handelt oder um eine Powerline-Brücke, spielt keine Rolle.

Ein Access Point wie etwa der abgebildete D-Link DAP-2310 (circa 65 Euro) wird über seinen Ethernet-Port mit CAT-Kabel am geeigneten Ort mit dem Kabelnetz verbunden. Sobald angeschlossen, lässt sich der Access Point über seine IP-Adresse am PC im Browser konfigurieren. Access Points nehmen sich per Werkseinstellung eine IP, die das Handbuch verrät, aber auch in der Geräteliste des Routers leicht zu finden. Mit der IP-Adresse laden Sie im Browser die Konfigurationsoberfläche des Access Points. Ab Werk bringt Sie eventuell der Benutzer „admin“ und leeres Kennwort in die Konfiguration. Im Zweifel sind die Zugangsdaten im Handbuch vermerkt. Sorgen Sie dann dafür, dass der „admin“ ein echtes Kennwort erhält und das Gerät künftig eine selbstdefinierte, feste IP (das geht sowohl in der Gerätekonfiguration als auch zentral im Router).

Das Einrichten des neuen Funknetzes geschieht unter „WLAN“, „Wireless“ oder „Drahtlos“ und erfordert die üblichen WLAN-Infos – also einen Netzwerknamen (SSID), den Verschlüsselungstyp sowie das Zugangskennwort. Danach können sich mobile Geräte zum  neuen Funknetz verbinden oder je nach Standort zur Basisstation. Verwenden Sie besser klar unterscheidbare SSID-Namen für das Router-Funknetz und für dasjenige des Access Points.

Repeater mit Ethernet-Port

Wenn Sie in Ihrem Netzwerk eindeutig auf WLAN setzen, kann sich die Situation ergeben, dass Sie punktuell eine Ethernet-Anbindung brauchen: Das wird etwa notwendig, wenn Sie fernab vom Router einen Netzwerkdrucker verwenden möchten, der kein WLAN, aber einen Ethernet-Port anbietet. Ein weiteres Beispiel wäre ein Linux-Rechner, der eine Kabelverbindung nutzen soll, um einem Treiberproblem mit WLAN aus dem Weg zu gehen.

Die einfachste Lösung für diese Aufgabe ist ein WLAN-Repeater mit zusätzlichem Ethernet-Port ab circa 20 Euro bis 100 Euro (je nach Ausstattung und Sendeleistung). Sie stecken den Repeater einfach am gewünschten Ort in die Steckdose und verbinden Repeater und Drucker oder PC mit einem CAT-Netzkabel. Leistungsstärker, kaum teurer, aber geringfügig aufwändiger ist der Einsatz zweier Powerline-Adapter (etwa ab 50 Euro).

Altgeräte als Repeater/Access Point

Besitzen Sie neben einer als Router genutzten Fritzbox noch eine ausgediente Fritzbox (auch „Speedport“), dann können Sie sich den Kauf eines Repeaters sparen. Die Geräte ergänzen sich als Basisstation und Repeater und bieten die Zusammenarbeit in der Konfigurationsoberfläche sogar direkt an. Die Option finden Sie unter „Erweiterte Ansicht“ im Menü „WLAN / Repeater“. Dort stellen Sie ein, was als Basis und was als Repeater arbeiten soll.

Beim Einsatz als Access Point gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich des Geräteherstellers. Hier arbeiten auch Router und Altgeräte unterschiedlicher Hersteller zusammen: Schließen Sie den alten Router mit CAT-Kabel an das Kabelnetz an. Dessen Konfigurationsoberfläche erreichen Sie dann über seine IP-Adresse im Browser. Hier stellen Sie seine Funktion als DHCP-Server ab und auch sonst am besten alle Funktionen außer WLAN. Im Übrigen verfahren Sie wie bei einem Neugerät, definieren also SSID, Verschlüsselungstyp und Zugangskennwort. Auch hier empfehlen wir, unter „LAN“ (oder ähnlich) eine feste IP anzufordern, um den Zugang in die Konfiguration zu vereinfachen.

Einige Router zeigen in der Konfiguration eine explizite Option „Internetzugang über LAN“ oder ähnlich, die Sie aktivieren müssen. Andere Altgeräte wie die alten Speedports (Telekom-Klons der Fritzbox) lassen jeden Hinweis auf diese Einsatzmöglichkeit vermissen, arbeiten aber trotzdem einwandfrei als Access Points.

Powerline-Ethernet

Powerline ist eine Alternative zu WLAN oder zur Ethernet-Verkabelung. Aus Sicht des Endgeräts ist Powerline eine Ethernet-Verbindung. Das bietet gegenüber WLAN den Vorteil, dass Netzanmeldung und alle Treiberprobleme entfallen. Für den Datentransport wird die Stromleitung genutzt. Starterkits mit zwei Adapter und 500 MBit/s gibt es ab etwa 40 Euro, die aktuell schnellsten 1200 MBit/s-Adapter ab 85 Euro (AVM), besser mit Durchreichesteckdose für etwa 120 Euro (Devolo). Im Idealfall kommen die Adapter allerdings allenfalls auf 40 bis 50 Prozent der theoretischen Leistung, in ungünstigen Fällen auch nur auf 10 bis 20 Prozent. Fast-Ethernet-Leistung (100 MBit/s) sollte aber mit den schnellsten Adaptern überall zu erreichen sein. Wenn man bei einem Hersteller bleibt, sind Adapter unterschiedlicher Geschwindigkeiten (200, 500, 1200 MBit/s) zu hundert Prozent kompatibel.

Powerline-Adapter kommen in die Steckdose. Verwenden Sie nur Wandsteckdosen (keine Steckerleisten), und schließen Sie Steckerleisten über die Durchreiche des Adapters an. Die Einhaltung dieser und weiterer Empfehlungen der Hersteller ist keine Pedanterie: Nach unserer Erfahrung kann sich der Datendurchsatz bei einer optimalen Anschlussvariante gegenüber einer fehlerhaften verdreifachen (!). Empirisches Ausprobieren und Messung durch Kopieren großer ISO-Dateien hilft.

Den einen Adapter verbinden Sie per Ethernet-Kabel mit dem DSL-Router, den zweiten Adapter mit dem Endgerät (PC oder Switch). Bei der Ersteinrichtung drücken Sie innerhalb von zwei Minuten den Verschlüsselungsknopf am Gehäuse (bei älteren Devolo-Adaptern auf der Unterseite neben dem Ethernet-Port, bei neueren an der rechten Seite unten). Die Geräte handeln dann einen Code aus, über den sie sich künftig automatisch verbinden. Bei einem weiteren, späteren Ausbau stecken Sie den neuen Adapter an, drücken dann erst den Verschlüsselungsknopf auf einem der älteren Adapter und danach den Knopf auf dem neuen.

WLAN über Powerline

Powerline-Adapter können auch das Funknetz ausbauen. Ein Adapter wie der Devolo DLAN 500 Wifi (802.11n) für etwa 55 Euro eignet sich vor allem dort, wo schon eine Powerline-Basis vorliegt. Es muss mindestens ein weiterer normaler Powerline-Adapter per Ethernet mit dem Router verbunden sein, mit dem sich der Wifi-Adapter dann verbinden kann. Der Wifi-Erweiterungsadapter arbeitet wie ein Access Point und hat vergleichbare Funktionen (Gastnetz, Kindersicherung, Zeitschaltung).

Die Ersteinrichtung erfolgt durch Drücken der Verschlüsselungstaste – erst auf einem normalen Adapter, dann auf dem neu einzurichtenden Wifi-Adapter. Ist das Gerät auf diese Weise angemeldet, kommen Sie über die IP-Adresse an die Konfigurationsoberfläche. Beim genannten Devolo-Adapter legen Sie die üblichen Einstellungen wie SSID (Netzwerkname), WPA/WPA2 und das Kennwort unter „WLAN-Konfiguration -> Access Point“ fest. Auch hier empfehlen wir zur besseren Kontrolle eine vom primären Router-WLAN abweichende SSID.

Netzwerkdrucker

Drucker gehören zu den unkomplizierten Peripheriegeräten. Viele Modelle benutzen standardisiertes PCL (Printer Command Language) oder Postscript. Damit ist der Druck ohne genau passenden Druckertreiber möglich. Multifunktionsgeräte sind problematischer, da sie für jede Funktion einen Treiber benötigen. Nicht jedes Modell läuft mit allen Funktionen unter Linux.

Netzwerkdrucker richten Sie über „Systemeinstellungen –> Drucker –> Hinzufügen“ ein (Ubuntu/Mint). Unter „Neuer Drucker“ gehen Sie auf „Netzwerkdrucker“ und warten Sie eine oder zwei Minuten. Taucht der Drucker nicht von alleine auf, gehen Sie auf „Netzwerkdrucker finden“. Geben Sie hinter „Host“ den Namen oder die IP-Adresse des Druckers ein, und klicken Sie auf „Suchen“. Wird der Drucker gefunden, versucht Linux das Modell zu ermitteln und zeigt unter „Verbindung“ etwa „HP Linux Imaging and Printing (HPLIP)“ an. Nach weiteren optionalen Abfragen klicken Sie zum Abschluss auf „Anwenden“.

Für Druckerfreigaben von Windows-PCs gehen Sie unter „Neuer Drucker“ auf „Windows Drucker via SAMBA“. Nach „smb://“ tragen Sie den Pfad zur Windows-Freigabe in der Form „PC-Name/Drucker-Name“ ein. Eventuelle Leerzeichen in Druckerbezeichnungen müssen durch „%20“ ersetzt werden. Falls nötig, müssen Sie Benutzernamen und Kennwort zur Anmeldung auf dem Windows-PC angeben und diese Kontoinformationen auch unter „Authentifizierungs-Details jetzt festlegen“ eintragen. Dann klicken Sie auf „Vor“, wählen den Hersteller des Druckers und dann das Modell. Wenn mehrere Treiber angeboten werden, wählen Sie den „empfohlenen“.

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Windows 10 IoT Core auf Raspberry

Falls sich bei dem Namen „Windows“ ganz konkrete Vorstellungen einstellen, sollte man sich davon bei Windows 10 IoT Core erst einmal radikal verabschieden. Etwas mehr als den Kernel bringt dieses Windows „Core“ zwar schon mit, aber es ist von einem Desktop-Windows wesentlich weiter entfernt als etwa ein Raspbian von einem Ubuntu. Unterm Strich ist Windows IoT ausschließlich für die Headless-Steuerung via Netzwerk (SSH, Web-Oberfläche, Powershell) und vorwiegend für die Entwicklung eigener Projekte konzipiert. Wir erklären hier, was mit dem System auch ohne Programmierung mit dem Entwicklerwerkzeug Visual Studio 2015 anzustellen ist und wie es sich dabei im Vergleich zu Linux verhält.

1. System-Image für den Raspberry

Bei der Image-Auswahl und Bestückung der SD-Karte muss sich Windows IoT Core schon mal einige Punkteabzüge gefallen lassen. Den diversen, bereits funktional spezialisierten Linux-Varianten für den Raspberry steht genau ein Windows gegenüber und dessen Installation ist nicht überall trivial. Eine erste Hürde ist die nicht klar kommunizierte Tatsache, dass das aktuelle „Windows 10 IoT Core Release Image“ auf dem jüngsten Raspberry 3 noch nicht läuft. Wer die Downloadseite https://ms-iot.github.io/content/en-US/Downloads.htm ganz genau liest, kann dies vermuten, weil der Raspberry Pi 3 nur unter der Vorversion „Windows 10 IoT Core Insider Preview“ namentlich aufgeführt ist. Es kann gut sein, dass demnächst die normale Hauptversion auch den neuesten Raspberry unterstützt, aber Anfang Mai 2016 war dies noch nicht der Fall und wir mussten auf die Insider Preview ausweichen. Dabei ist es aber nicht nötig, am Insider-Programm von Microsoft teilzunehmen, weil auch der bewährte NOOBS-Installer der Raspberry Foundation diese Insider Preview einrichten kann (Download unter www.raspberrypi.org/downloads/noobs). Wenn Sie den Raspberry mit NOOBS booten und dann die Option „Windows 10 IoT Core“ wählen, holt sich NOOBS die aktuellste Preview von Windows IoT aus dem Netz. Eine flotte Internetverbindung ist ratsam, weil der Download circa 1825 MB umfasst.

Wichtige Anmerkung: Beachten Sie, dass die beschriebene Einrichtung über NOOBS nicht die von Microsoft vorgesehene Installationsweise darstellt. Microsoft zielt nämlich auf eine enge Zusammenarbeit eines Windows-10-PCs mit der Raspberry-Platine. Beim Download des „Windows 10 IoT Core Release Image“ von https://ms-iot.github.io/content/en-US/Downloads.htm erhalten Sie ein ISO-Image, das Sie unter Windows 10 „Bereitstellen“ (Mounten) sollen, um anschließend die dort enthaltene MSI-Datei auszuführen. Dabei wird am Windows-Rechner das eigentliche Image (flash.ffu) entpackt, ferner zwei Hilfsprogramme eingerichtet – eines zum Schreiben des ffu-Images (IoTCoreImageHelper.exe), ein weiteres (WindowsIoTCoreWatcher.exe) zur besonders einfachen Verwaltung einer oder mehrerer Raspberry-Platinen mit Windows IoT.

Dies mag den Eindruck erwecken, dass sich ein Raspberry mit Windows IoT nur über ein Windows 10 einrichten und bedienen lasse. Das ist aber falsch: Richtig ist nur, dass die Entwicklung eigener Programmierprojekte ein Windows 10 mit Visual Studio 2015 voraussetzen. Die Nutzung und Fernwartung eines Raspberry mit Windows Core funktioniert hingegen auch ohne diese Hilfsprogramme und ohne Windows-PC.

Hinweis zur Hardware: Der WLAN-Chip auf dem neuen Raspberry 3 wird von der Windows IoT Insider Preview nicht erkannt. Dieses Manko kann bei Erscheinen dieses Heft eventuell behoben sein. Wann genau das der Fall sein wird, das lässt sich der vagen Aussage „coming soon“ auf http://ms-iot.github.io nicht entnehmen.

Überflüssiges Tool unter Windows: Der „Core Watcher“ wird am PC automatisch installiert, wenn Windows IoT via Windows auf SD-Karte geschrieben wird

2. Erster Start: Was läuft auf dem Raspberry?

Falls am Raspberry Monitor und Maus angeschlossen sind, erscheint nach dem Start eine einfache Oberfläche, die nur eine wesentliche Information anbietet, nämlich die lokale IP-Adresse. Über das Zahnradsymbol ist nicht mehr zu erreichen als die Einstellung der Sprache. Der Punkt „Lernprogramme“ gibt auch nicht viel her. Generell ist die hübsche, aber praktisch funktionslose Oberfläche entbehrlich bis nutzlos. Der Raspberry mit Windows IoT wird komplett über das Netzwerk verwaltet.

Bei den automatisch gestarteten Standarddiensten hat Microsoft nichts Wesentliches ausgelassen. Das System und die Dateien auf dem System sind auf viele Wege zu erreichen:

* Der SSH-Server läuft. Der Raspberry ist von jedem Client-System via ssh administrator@192.168.0.22 (Beispiel) und dem Standardkennwort „p@ssw0rd“ erreichbar (Zahl 0 statt Buchstabe o!).

* Der Web-Server läuft: Die Verwaltungsoberfläche des Raspberry ist von jedem Client-System im Browser über http://192.168.0.22:8080 erreichbar (Beispiel). Die Standardauthentifizierung lautet wieder „Administrator“ und Kennwort „p@ssw0rd“

* Der FTP-Server läuft: Der Raspberry ist von jedem Client-System via FTP über seine IP-Adresse erreichbar. Hier ist der anonyme Zugriff ohne Authentifizierung vorgesehen. Freigegeben ist standardmäßig das Systemlaufwerk (C:\).

* Der Lanmanserver läuft: Spezielle Freigaben sind per SSH leicht einzurichten, die dann von jedem Client-System erreichbar sind. Sofort ab Installation, also ohne jede Einrichtung, sind die typischen administrativen Standardfreigaben (C$, D$) erreichbar – allerdings nur mit Windows-Clients.

* Das Windows Remote Management läuft: Somit kommen Windows-Client auch über die Windows Powershell an den Raspberry, die mehr Möglichkeiten bietet als die normale Kommandozeile Cmd (die bei SSH-Verbindung startet).

* Wer Windows IoT über einen Windows-10-Rechner installiert hat, erhält auf diesem Rechner zusätzlich den schon genannten „Windows IoT Core Watcher“ als Hilfsprogramm: Der spürt Raspberry-Platinen mit Windows IoT im lokalen Netz auf und bietet per Rechtsklick deren Verwaltungsoberfläche und die administrativen Datenfreigaben. Das Tool ist aber vollständig entbehrlich, wenn der Raspberry mit fester IP über ein Browser-Lesezeichen und die Datenfreigaben im Dateimanager des PCs zu erreichen sind.

Die von Microsoft vorgesehene Installationsweise von Windows IoT: Hier ist ein Windows-Rechner notwendig, der mit einem speziellen Flash-Tool ausgestattet wird.

3. Windows IoT im praktischen Einsatz

Die ersten Maßnahmen auf einem Windows IoT unterscheiden sich nicht grundsätzlich von einem Linux-System auf dem Raspberry: Eine der wichtigsten Aktionen ist ein feste IP-Adresse für das Gerät, was Sie am besten zentral im Router erledigen. Damit ist das System per SSH oder Browser zuverlässig zu erreichen. Ob der Zugriff dann unter Linux mit (Beispiel)

ssh administrator@192.168.0.22

oder mit Putty/Kitty unter Windows erfolgt, spielt keine Rolle.

Zu empfehlen ist ferner ein individuelles Kennwort für das „Administrator“-Konto (vergleichbar mit root unter Linux). Dies kann der Befehl

net user administrator meinkennwort

auf der SSH-Konsole erledigen, ist aber auch auf der Verwaltungsoberfläche unter „Home -> Preferencies“ vorgesehen. An gleicher Stelle können Sie auch den Standard-Hostnamen „minwinpc“ individuell einstellen.

Windows IoT kann mit oder ohne Bildschirmoberfläche („headed“ oder „headless“) gestartet werden. Falls Sie kein eigenes Projekt planen, das eine Bildschirmausgabe vorsieht: Die Standardoberfläche des Systems und ein am Raspberry angeschlossener Bildschirm sind reichlich nutzlos. Für die Abschaltung gibt es ein Extra-Programm:

setbootoption.exe headless

Dies und ein Reboot schaltet die Oberfläche ab und bringt etwa 60 MB zusätzlichen Speicher (der Parameter „headed“ schaltet die Oberfläche jederzeit wieder ein). Einen Reboot lösen Sie am bequemsten über die gleichnamige Schaltfläche in der Verwaltungsoberfläche aus, aber natürlich funktioniert auch ein shutdown /r /t 0 auf der SSH-Konsole.

Neben dem überall funktionierenden SSH-Zugriff gibt es unter Windows auch noch den Remote-Zugang via Powershell (Beispiel):

net start WinRM
Set-Item WSMan:\localhost\Client\TrustedHosts -Value 192.168.0.22
Enter-PSSession -ComputerName 192.168.0.22 -Credential 192.168.0.22\Administrator

Die zweite Befehlszeile ist nur ein einziges Mal notwendig, um den Raspberry dem Windows-PC bekannt zu machen. Der erste Befehl ist nur einmal innerhalb einer Windows-Sitzung notwendig. Für die Eingabe des Kennworts nach dem dritten Befehl erscheint dann ein grafischer Dialog.

Die Verwaltungsoberfläche liefert unter „Processes“ und „Performance“ einen guten Überblick über die Systemauslastung und über laufende Tasks, die sich hier auch beenden lassen. Ohne Monitorausgabe („headless“) sollte das pure Standardsystem deutlich unter 200 MB liegen. Bei Aufgaben als einfacher Datenserver liegt die CPU-Last bei 10 bis maximal 30 Prozent. Das sind Werte, die auch ein schlanker Debian-Server nicht signifikant unterbieten kann.

Auf der Seite „Processes“ lassen sich unter „Run command“ einzelne Kommandozeilen direkt übergeben, ohne dafür eine SSH- oder Powershell-Verbindung aufbauen zu müssen. Wenn es sich um einen Befehl des Kommandointerpreters Cmd handeln soll, muss dies in der Form „cmd /c [Befehl]“ erfolgen.

Wenn Sie beim Systemstart automatisch Programme starten (oder beenden) oder Umgebungsvariablen setzen wollen, nutzen Sie vorzugsweise die Datei IoTStartupOnBoot.cmd unter \Windows\System32. Diese wird, wie der Name anzeigt, beim Start automatisch berücksichtigt.

Nur für Windows-Clients: Die Powershell kann sich am Raspberry anmelden und bietet etwas mehr Kommandozeilenkomfort als eine SSH-Verbindung (auf die Cmd-Shell).

4. Einrichtung eines einfachen Datenservers

Die Rolle eines einfachen lokalen Datenservers kann Windows IoT problemlos und mit sehr geringem Konfigurationsaufwand übernehmen. Dazu eignen sich externe USB-Geräte an den vier verfügbaren Ports. USB-Datenträger sind „hot plugable“, werden also im laufenden Betrieb gemountet – in aufsteigender Reihe der Windows-typischen Laufwerksbuchstaben. Um ein komplettes USB-Laufwerk E: für das Standardkonto „Administrator“ freizugeben, genügt ein einziger Befehl (Beispiel):

net share USB_2TB=e:\ /grant:administrator,full

Weitere Konten sind etwa mit

net user /add Sepp geheim

schnell eingerichtet und Netzfreigaben analog dem obigen Befehl zu gestatten, nur mit geändertem Kontonamen. Für die Korrektur eventuell fehlender lokaler Rechte auf Datenträgern ist das Tool icacls.exe an Bord.

Der FTP-Server, der standardmäßig Laufwerk C: anbietet, kann jeden beliebigen Pfad per FTP freigeben. Es genügt, den Dienst zunächst mit

kill ftpd*

zu beenden und dann mit der gewünschten Pfadangabe neu zu starten (Beispiel):

start c:\windows\system32\ftpd.exe e:\daten

Es gibt aber offenbar keine Möglichkeit, den FTP-Server auf ein bestimmtes Konto zu beschränken. Eine Öffnung für den Internet-Zugriff via Portfreigabe scheidet daher aus Sicherheitsgründen aus, und für den Zugriff im lokalen Netz reichen an sich die normalen Freigaben aus.

5. Windows IoT: Ohne Eigenentwicklung geht nicht viel

Die voranstehenden Abschnitte zeigen, dass Windows IoT auf dem Raspberry wesentliche Dienste automatisch mitbringt und mit etwas Erfahrung auf der Windows-Kommandozeile (Cmd) oder der Windows-Powershell gut übers Netzwerk zu verwalten ist – und zwar nicht nur über Windows, sondern auch über Linux oder Mac OS X (SSH und Browser). Alltagstaugliche Einsatzmöglichkeiten, wie wir sie von Linux-Systemen wie Raspbian, Open Media Vault, Openelec und zahlloser Software wie Kodi, Plex, Owncloud, Mediawiki kennen, sind aber nicht annähernd in Sicht. Die skizzierte Einrichtung als lokaler Datenserver (Punkt 4) ist das einzige alltagstaugliche Szenario, das sich mit dem purem Windows-IoT-System umstandslos realisieren lässt. Batch-Frickler können sich mit den angebotenen Kommandozeilen-Tools unter \Windows\System32 und dem Cron-ähnlichen Scheduler Schtasks sicher noch einige zusätzliche Komfortfunktionen hinzubasteln. Ein Hemmschuh ist dabei, dass nicht einmal ein Texteditor an Bord ist und somit Änderungen an Batch- oder Konfigurationsdateien immer über die Freigaben am Remote-PC erfolgen müssen.

Über diese engen Grenzen hinaus führt nur die Entwicklung eigener Programmierprojekte. Hier steht man allerdings mit einem Linux-Rechner komplett außen vor. Die Entwicklung benötigt einen Windows-10-Rechner mit Visual Studio 2015 (wobei aber die kostenlose Community-Edition ausreicht: www.visualstudio.com/de-de/downloads). Selbst Nutzer, die nur das eine oder andere schon existierende Beispielprojekt auf ihrem Raspberry ausprobieren wollen, kommen nur mit Hilfe von Windows ans Ziel: Die überall verfügbare Verwaltungsoberfläche im Browser sieht zwar unter „Apps -> Install package“ das Laden von Projekten auf den Raspberry vor, dazu müssen diese aber als Appx-Pakete vorliegen, was wiederum Visual Studio oder zumindest das Windows-Tool Makeappx erfordert.

Ist auf einem Windows-10-PC Visual Studio installiert, ist der Transport von Projekten auf den Raspberry hingegen recht einfach: Die Sammlung mit den Demo-Projekten unter https://github.com/ms-iot/samples lässt sich mit der Schaltfläche „Download ZIP“ rechts oben komplett herunterladen. Nach dem Entpacken des Archivs genügt ein Doppelklick auf die SLN-Datei des gewünschten Projekts, der das verknüpfte Visual Studio startet und dort automatisch den Debug-Modus und die ARM-Systemarchitektur einstellt (in der Tool-Leiste oben). Daneben muss dann nur noch unter „Device“ die Option „Remotecomputer“ gewählt werden, wobei der Raspberry erkannt und automatisch angeboten wird und ein Klick auf „Auswählen“ das Ziel festlegt. Danach genügt „Erstellen -> [Projektname] erstellen“ zum Kompilieren des Projekt und anschließendes „Erstellen -> [Projektname] bereitstellen“, um das Projekt auf den Raspberry zu befördern. Die Verwaltungsoberfläche zeigt unter „Apps -> Installed Apps“ alle Projekte in einer Dropdown-Liste an. Das jeweils ausgewählte starten Sie dort mit der Schaltfläche „Start“ oder löschen es wieder mit der Schaltfläche „Remove“.

Die meisten der bislang vorliegenden Projekte haben Demo-Charakter, um die technischen Möglichkeiten und den zuständigen Programmcode anzuzeigen. Praxistaugliche und für größere Zielgruppen zu empfehlende Lösungen sind bislang nicht in Sicht.

Leistungsmonitor der Verwaltungsoberfläche: Das Mini-Windows erweist sich als ökonomische Basis für den Raspberry. Hier läuft ein Datentransfer; CPU und RAM zeigen noch viel Reserven.