Oracle Virtualbox kann alles – und viel mehr, als dieser knappe Beitrag zeigen kann. Hier geht es nur um die Grundlagen – die Installation der Software, die Einrichtungsschritte für virtuelle Maschinen (VMs) und die allerwichtigsten Optimierungsmöglichkeiten.
1. Installation: Vollständig mit Erweiterungspaket
Die aktuelle Version (7.0.4) von Virtualbox erhalten Sie für alle Betriebssysteme unter www.virtualbox.org/wiki/Downloads. Zu den Varianten für die unterschiedlichen Linux-Distributionen führt dort der Link „Linux distributions“. Den Download installieren Sie dann nach Rechtsklick mit dem Paketmanager der Distribution, unter Windows durch Doppelklick des EXE-Programms. Anders als die Linux-Varianten bietet der Windows-Installer eine Selektion von Komponenten, wobei aber außer der Python-Unterstützung alle Optionen zu empfehlen sind.
Exkurs: Virtualbox ist selbstverständlich auch in den Paketquellen der Distributionen erhältlich. Dies aber in älteren Versionen 6.x, sodass der Vorteil einer automatischen Aktualisierung in diesem Fall keiner ist: Die Updates erstrecken sich nämlich nur auf die veraltete Hauptversionsnummer „6“. Eine weitere Installationsoption unter Linux wäre es noch, die Oracle-Paketquelle einzubinden und auf diesem Weg Updates für Version 7 zu erhalten. Dies führen wir hier nicht näher aus (siehe www.virtualbox.org/wiki/Linux_Downloads), da die Heft-DVD dafür eine Komplettlösung anbietet. Das dort vertretene Ubuntu 22.04.1 hat ein vorinstalliertes Virtualbox 7, das sich via Systemaktualisierung aktuell hält.
Erweiterungspaket: Auf der allgemeinen Downloadseite erscheint auch das „Oracle VM VirtualBox Extension Pack“. Dieses darf aus lizenzrechtlichen Gründen nicht mit dem freien Virtualbox ausgeliefert werden, ist aber für private Nutzung frei und kostenlos. Nach dem Download dieses Erweiterungspakets starten Sie Virtualbox und gehen im Virtualbox Manager auf „Werkzeuge“. Im mittleren Hauptfenster klicken Sie dann auf die Schaltfläche „Installieren“ und navigieren zum Download. Da der Dialog nur Dateien mit der Extension „.vbox-extpack“ anzeigt, ist die Auswahl einfach und eindeutig. Nach einem Warnhinweis startet die Installation.
Das Erweiterungspaket ist zwar optional, aber für häufige Virtualbox-Nutzung uneingeschränkt zu empfehlen. Hauptgrund ist die Unterstützung für USB 2.0 und 3.0, aber auch RDP-Fernsteuerung für Windows-VMs kann ein wichtiges Motiv sein. Das Erweiterungspaket bietet noch weitere Extra-Funktionen wie Netboot oder AES-Festplattenverschlüsselung.
Gruppenzuweisung: Eine letzte Aktion vervollständigt die Installation unter Linux (unter Windows unnötig): Fügen Sie die Systembenutzer, die Virtualbox verwenden sollen, zur Gruppe „vboxusers“ hinzu:
sudo adduser [User] vboxusers
„[User]“ ersetzen Sie durch den Kontonamen des Benutzers. Wiederholen Sie den Befehl für alle gewünschten Konten. Melden Sie sich dann bei Linux ab und wieder an oder starten Sie das System neu. Diese vollständige Installation mit Erweiterung und Gruppenzuweisung ist für eine sporadische Nutzung von Virtualbox nicht zwingend, erspart aber eventuelle spätere Irritationen – insbesondere beim Versuch, USB-Geräte in einer VM zu nutzen.
2. Allgemeine Einstellungen
Der Start von Virtualbox am Desktop öffnet den „Oracle VM VirtualBox Manager“ – zunächst nur mit dem Eintrag „Werkzeuge“. Über eine grundsätzliche Einstellung können Sie vorab entscheiden, dies aber bei Bedarf auch später umstellen: Unter „Datei -> Einstellungen -> Allgemein“ ist der Pfad vorgegeben, wo Virtualbox seine Dateien ablegen wird. Da dies viel Kapazität fordern wird, ist hier eventuell von vornherein ein Ort jenseits von „/home“ besser geeignet.
Unter “ Datei -> Einstellungen -> Eingabe -> Virtuelle Maschine“ lohnt sich in jedem Fall eine Durchsicht der Standard-Hotkeys. Den „Host“-Key mit Kombinationen wie Host-C, Host-L, Host-F, Host-Pos1 werden Sie ständig benötigen, um die VM-Darstellung (Vollbild; Skaliert, Fenster) zu ändern oder das VM-Fenstermenü zu aktivieren (Host-Pos1). Voreingestellter Host-Key ist die rechte Strg-Taste. Alle Hotkeys sind individuell einstellbar, auch der Host-Key.
3. Eine virtuelle Maschine einrichten
Mit der Schaltfläche „Neu“ oder „Maschine -> Neu“ erstellen Sie eine VM. Den „Namen“ vergeben Sie beliebig. Als „Ordner“ ist voreingestellt, was unter „Datei -> Einstellungen -> Allgemein“ als Standard gilt. Wichtig ist das „ISO Abbild“, mit dem die Installation des neuen Systems erfolgt. Navigieren Sie hier über „Ändern“ zum Installationsmedium des Systems. Dabei handelt es sich über die typischen Live- und Installer-Downloads für Linux-Distributionen oder um das Installations-ISO einer Windows-Version. Sobald dieses Medium eingetragen ist, erkennt Virtualbox automatisch „Typ“ und „Version“ dieses Systems. Falls nicht, wählen Sie „Typ“ und „Version“ manuell. Für Linux sind viele, aber nicht alle Distributionen aufgeführt. Nehmen Sie den Eintrag, der dem System am nächsten kommt, etwa „Ubuntu (64-bit)“ für ein Linux Mint oder „Arch Linux (64 Bit)“ für ein Endeavour OS.
Wenngleich der Assistent die Hardware-Einstellungen von dieser Auswahl abhängig macht, ist diese Aktion – sofern überhaupt nötig – nicht kritisch, denn alle Voreinstellungen lassen sich durch manuelle Änderungen anpassen. Sie sollten aber für beste Kontrolle stets die Option „Unbeaufsichtigte Installation überspringen“ anklicken.
Mit „Vorwärts“ geht es zur RAM-Ausstattung und CPU-Vergabe für die VM. Vier GB und zwei CPU-Kerne sind für die meisten VMs ausreichend. Zum Teil genügt weniger. Die Einstellung hängt nicht zuletzt von der Hardware des Hostsystems ab und von der Frage, ob Virtualbox eventuell künftig sogar mehr als eine VM gleichzeitig mit Ressourcen versorgen soll. Kritisch sind auch diese Vorgaben nicht, da sie sich später – bei ausgeschalteter VM – jederzeit anpassen lassen.
Nach „Vorwärts“ kommt der Punkt „Virtuelle Festplatte“ mit drei Optionen. Im einfachsten Fall brauchen Sie überhaupt keine Festplatte („Keine Festplatte hinzufügen“), dann nämlich, wenn die VM nur ein Linux-Livesystem starten soll. Dann genügt das bereits vorher eingestellte ISO-Image. Soll das System hingegen ordentlich installiert werden, wählen Sie die oberste Option „Jetzt eine virtuelle Festplatte erstellen“. Die Kapazität wählen Sie umso großzügiger, je länger die VM voraussichtlich laufen soll (Updates, Installationen). 30 bis 50 GB sind für Linuxsysteme realistisch, 50 bis 100 GB für Windows.
Wer sich hier nicht sicher ist, sollte die Option „Volle Größe erzeugen“ immer inaktiv belassen (Standard) und damit eine dynamische virtuelle Festplatte erzeugen. Das hat zwei Vorteile – und einen Nachteil:
* Eine dynamische virtuelle Festplatte (VDI-Datei) fordert nur den aktuell nötigen Platz und wächst bis zum angegebenen Maximum. Sie belegt also eventuell nur 10 GB, obwohl 50 GB eingestellt sind.
* Eine dynamische VDI lässt sich später ohne Aufwand erweitern. Unter „Werkzeuge -> Medien -> Festplatten“ gibt es einen Schieberegler wie bei der Ersteinrichtung.
* Eine statische VDI („Volle Größe erzeugen“) ist im späteren Betrieb schneller.
Nach Abschluss des Schrittes „Virtuelle Festplatte“ und „Vorwärts“ ist die Definition der VM beendet und der grafische Assistent zeigt die Zusammenfassung.
Hinweis: Auf die dritte Option „vorhandene virtuelle Festplatte“ gehen wir später ein (Punkt 9).
4. Anpassungen der virtuellen Maschine
Die VM-Einrichtung via Virtualbox-Assistent führt in aller Regel zu einer sofort lauffähigen VM, lässt aber interessante Optionen außen vor. Es lohnt sich praktisch immer, vor dem ersten Start auf das Angebot „Ändern“ zu klicken und alle Optionen durchzugehen. Die Mehrzahl dieser Optionen setzt entweder das allgemeine Erweiterungspaket (Punkt 1) oder die Gasterweiterungen (Punkt 6) voraus:
Nicht optional, sondern unentbehrlich ist im Punkt „Anzeige“ ein hoher Wert für „Grafikspeicher“, am besten immer „128 MB“. Bei manchen Linux-Gastsystemen wählt Virtualbox den Wert so unterdimensioniert, dass die grafische Oberfläche nicht startet. Aktivieren Sie an dieser Stelle außerdem die Option „3D-Beschleunigung aktivieren“.
Unter „Allgemein -> Erweitert“ können Sie durch die „Gemeinsame Zwischenablage“ und „bidirektional“ Inhalte zwischen Host- und Gastsystem über die Zwischenablage austauschen. Dies lohnt sich ebenfalls für „Drag’n’Drop“, um Dateien vom Dateimanager des Hostsystems in den Dateimanager des Gastsystems zu ziehen.
Unter „USB“ sollte nicht nur der USB-Controller aktiviert sein, sondern auch die richtige USB-Version. Diese Angabe orientiert sich am Hostsystem und am USB-Port, wo Sie eventuelle USB-Datenträger voraussichtlich nutzen wollen.
5. Installation des virtuellen Systems
Nach dem Start der VM bootet diese über das virtuelle DVD-Laufwerk das Installationsmedium. Eventuell erwarten Sie von dieser VM gar nicht mehr als den Start eines typischen Linux-Livesystems und eine Installation entfällt somit. Wo dies zutrifft, sollte eine solche VM ausdrücklich „Live“ im Namen tragen (etwa „Knoppix-Live“), um es in der Virtualbox-Liste von installierten VMs zu unterscheiden.
In der Regel wird die VM aber eine virtuelle Festplatte enthalten, auf welche Sie nun das System ordentlich installieren. Der Vorgang unterscheidet sich in keiner Weise von einer normalen, physischen Installation. Er ist allenfalls einfacher, weil nur eine (virtuelle) Festplatte vorhanden ist. Nach Abschluss der Installation und Herunterfahren der VM sollten Sie – wie nach jeder Installation – das Installations-ISO aus der VM-Konfiguration nehmen. Dies erledigen Sie über „Ändern“ im Virtualbox Manager. Entfernen Sie unter „Massenspeicher“ aber nicht das komplette DVD-Laufwerk, sondern nur das eingehängte ISO-Image. Das geht mit der Klickbox ganz rechts neben „Optisches Laufwerk“ und der Option „Entfernt das virtuelle Medium…“. Das virtuelle DVD-Laufwerk selbst kann später noch anderweitig nützlich sein, insbesondere aber für die Installation der Gasterweiterungen.
6. Gasterweiterungen in die VM installieren
Im Unterschied zum allgemeinen Virtualbox-Erweiterungspaket werden die Gasterweiterungen in die jeweilige VM installiert. Gasterweiterungen sind optional, aber mindestens für häufiger genutzte VMs zu empfehlen. Sie enthalten Treiber für die Maus und den virtuellen Grafikadapter, verbessern damit Bildschirmauflösung, Skalierung, Mausverhalten und erlauben direkte Ordnerfreigaben zwischen Hostsystem und Gast-VM.
Die Gasterweiterungen lädt Virtualbox in das virtuelle DVD-Laufwerk einer laufenden VM, wenn Sie auf das VM-Fenstermenü „Geräte -> Gasterweiterungen einlegen“ klicken. Falls die Menüleiste im Vollbild oder im skalierten Anzeigemodus nicht zugänglich ist, verwenden Sie den Hotkey Host-Pos1 (also standardmäßig Strg-Rechts-Pos1). Das Installationspaket erscheint dann im DVD-Laufwerk der VM, und in einer Windows-VM genügt dann der Doppelklick auf „VBoxWindowsAdditions.exe“. Unter Linux müssen eventuell mit dem Terminal zum Pfad des DVD-Ordners navigieren und dann mit
sudo ./VboxLinuxAdditions.run
die Installation starten.
Optionale Gasterweiterungen (hier für Windows-VM): Über das Menü „Geräte“ lädt Virtualbox das Paket in das virtuelle DVD-Laufwerk. Von hier wird es dann in die VM installiert.
7. VM im Netzwerk: Netzwerkbrücke statt NAT
Standardmäßig gilt für VMs wie bei allen Virtualisierern der „NAT“-Modus im Netzwerk: Dabei dient Virtualbox selbst als virtueller Router und weist der VM eine zufällige IP-Adresse zu. Damit kommt die VM ins Internet, bleibt aber im lokalen Heimnetz isoliert. Es ist der VM zwar möglich, sich über die IP-Adressen des Heimnetzes mit Samba- oder SSH-Server zu verbinden, umgekehrt ist aber keine Verbindung zur VM möglich (SSH, Samba, VNC, RDP, Apache…).
Wenn eine VM einen Dienst im Heimnetz anbieten soll, ist eine andere Einstellung erforderlich. Möglichkeiten gibt es mehrere, aber die einfachste erfordert nur einen einzigen Klick und sollte in den meisten Fällen genügen. Gehen Sie bei einer eingerichteten VM nach „Ändern“ auf das „Netzwerk“. Hier finden Sie unter „Netzwerk -> Angeschlossen an“ eine Reihe weiterer Optionen. Mit „Netzwerkbrücke“ verbindet sich eine VM direkt mit dem Heimnetz. Die VM erhält also vom Heimrouter via DHCP eine lokale IP-Adresse genau wie ein physischer Rechner. Das macht die VM zum gleichberechtigten Mitglied des lokalen Netzes, und sie kann dann von jedem anderen Gerät erreicht werden. Die Umstellung von „NAT“ zu „Netzwerkbrücke“ kann im Virtualbox Manager jederzeit und auch für eine aktuell laufende VM erfolgen.
8. Virtuelle Maschinen umziehen
Bei längerer Benutzung von Virtualbox summieren sich schnell einige VMs, die mit großen virtuellen Festplatten die Kapazität der Systempartition überfordern. Wenn alternative Datenträger zur Verfügung stehen, dann ist der Umzug von VMs kein Problem: Sie klicken einfach im Virtualbox Manager mit rechter Maustaste auf die betreffende VM und wählen dann „Verschieben“. Die Option ist nur aktiv, wenn die VM aktuell ausgeschaltet ist. Danach müssen Sie nur noch zum gewünschten, neuen Zielordner navigieren. Virtualbox verschiebt dabei den Ordner mit dem Namen der VM inklusive Konfigurationsdatei (.vbox) und virtueller Festplatte (.vdi).
Wenn Sie ab einem bestimmten Zeitpunkt aus Platzgründen alle neu hinzukommenden VMs an einer anderen Stelle ablegen wollen, dann ändern Sie im Virtualbox Manager mit „Datei -> Einstellungen -> Allgemein“ den voreingestellten Standardpfad für die VMs. Die VMs aus dem bisherigen Standardpfad funktionieren weiterhin.
9. Virtuelle Festplatten von Vmware
Virtualbox kann die virtuellen Festplatten des Vmware Player (*.vmdk) direkt und ohne Konvertierung nutzen. Beim Erstellen einer VM wählen Sie beim Punkt „Virtuelle Festplatte“ die Option „Eine vorhandene virtuelle Festplatte verwenden“ und navigieren dann zur VMDK-Datei. Klicken Sie auf die erste, unbezifferte und kleinste dieser Dateien. Das ist der Verwaltungszeiger auf eventuell zahlreiche Inhaltsdateien einer dynamischen Festplatte. Die restliche Einrichtung der VM verläuft unverändert.
10. Virtualbox via Terminal
Virtualbox ist lückenlos – ohne grafischen Virtualbox Manager – über Terminalbefehle zu bedienen. Ein Motiv dafür werden Desktop-Nutzer angesichts der komfortablen Oberfläche zunächst nicht sehen. Im Netzwerk und mit SSH-Verbindung zum Hostsystem kann diese Option aber nützlich werden. Dann ist nämlich nach SSH-Anmeldung am Hostsystem eine VM etwa mit
vboxmanage startvm "Cent-OS"
übers Netzwerk zu starten. Die auf dem Host vorhandenen VMs und deren genaue Namen kann der Befehl vboxmanage list vms ermitteln. Mit
vboxmanage controlvm "Cent-OS" poweroff
ist eine VM per SSH-Befehl auch wieder zu beenden. Für grafische VM-Desktops ist solche Fernbedienung kaum relevant, wohl aber für VMs, die im Netzwerk eine Serverfunktion erfüllen. Und auf dem lokalen Hostsystem kann die Terminalmethode nützlich sein, um eine VM per Autostart automatisch zu laden.
11. Fertige virtuelle VMs
Virtuelle Maschinen muss man nicht zwingend in Virtualbox konfigurieren, danach manuell installieren und mit Software und Diensten ausstatten. Windows, zahlreiche Linux-Desktops und viele Linux-Server gibt es komplett vorkonfiguriert zum Download. Im Prinzip ersparen Sie sich damit die Hardware-Einrichtung in Virtualbox, die anschließende Installation des Systems und eventuell die Konfiguration eines komplexen Serverdienstes. Ob und wo sich das wirklich lohnt, hängt aber vom Verwendungszweck und vom Nutzer-Knowhow ab.
OVA-Format: Eingepackte PCs
Die standardisierte Hardware virtueller Maschinen macht es möglich, komplette Systeme einzupacken (Appliance) und diese auf jedem anderen Rechner via Virtualisierer zu starten. Als Virtualbox-Nutzer werden Sie theoretisch selbst mühelos zum Appliance-Entwickler, indem Sie eine sorgfältig konfigurierte VM mit dem Menü „Datei -> Appliance exportieren“ als Appliance sichern und weitergeben können. Das Resultat der Aktion ist eine OVA-Datei (Open Virtual Appliance), im Prinzip ein gepacktes TAR-Archiv. Vmware kennt die Methode analog und verwendet dabei das Format OVF (Open Virtualization Format). Dieses kann Virtualbox ebenso wie sein natives OVA-Format mit „Datei -> Appliance importieren“ importieren.
Virtuelle Appliances werden aber nicht immer im OVA-Format angeboten: Die Seite www.osboxes.org liefert zum Beispiel grundsätzlich nur die virtuelle Festplatte aus, also VDI-Dateien für Virtualbox. Was ist der Unterschied zu OVA? Virtuelle Maschinen für Virtualbox bestehen im Wesentlichen nur aus dem VDI-Festplattenabbild und einer kleinen XML-Konfigurationsdatei mit der Endung „.vbox“. Folglich genügt eigentlich die virtuelle Festplatte, denn die Konfiguration für ein System ist mit dem Virtualbox Manager in drei Minuten erstellt. Das OVA-Paket hat daher gegenüber einem puren VDI-Abbild nur den kleinen Vorteil, die Konfiguration mitzuliefern, und als zweiten Vorteil eine reduzierte Downloadgröße dank Komprimierung.
Schlüsselfertige Desktop-VMs
Die schon genannte Site www.osboxes.org bietet nur die Festplattenabbilder. Klicken Sie dort auf „VM Images“ und wählen Sie das benötigte Format – VDI für das hier bevorzugte Virtualbox. Die zahlreichen virtuellen Festplatten sind standardmäßig 7z-gepackt. Unter Windows muss daher der Packer 7-Zip vorliegen (www.7-zip.de), unter Linux ist 7z-Unterstützung in der Regel Standard und im Bedarfsfall mit
sudo apt install p7zip p7zip-full
schnell nachgerüstet. Die VDI-Images lassen sich dann einbinden, indem Sie in Virtualbox eine neue virtuelle Maschine erstellen und bei der Festplattenkonfiguration „Eine vorhandene virtuelle Festplattendatei verwenden“. Dazu klicken Sie auf das Ordnersymbol und navigieren zur heruntergeladenen VDI-Datei (der Pfad ist im Prinzip beliebig, aber für bessere Übersicht empfiehlt sich ein Sammelordner für solche VDIs). Nach Auswahl und „Hinzufügen“ ist die VM schon startklar.
Bei den Osboxes-Images handelt es sich überwiegend um Linux-Desktops (von „Android x86“ bis „Zorin OS“), die Sie anschließend beliebig anpassen können. Ganz ohne Pflegeaufwand sind sie dennoch nicht: Wenn Ihnen das voreingestelle Standardkonto – meist „osboxes“ mit Kennwort „osboxes.org“ – nicht zusagt, müssen Sie ein neues Konto einrichten. Oberfläche, Tastatur, Zeitzone sind grundsätzlich US-amerikanisch, was in den Regions- und Sprach-Einstellungen des jeweiligen Systems geändert werden muss.
Weitere Eigenheiten einer Appliance sind nie auszuschließen. Der Download einer fertigen Desktop-Appliance garantiert zwar den besonders schnellen Einsatz, bleibt aber eher eine Empfehlung für die unkomplizierte Wegwerf-VM. Zudem bietet www.osboxes.org nicht durchgehend aktuelle Versionen, sondern zum Teil auch ältere Systeme. Wer eine Desktop-VM für den nachhaltigen Dauerbetrieb einrichten will, nimmt vielleicht doch besser die Mühe der Installation mit dem Originalsystem in Kauf.
Windows-Appliance von Microsoft
Microsoft bietet virtuelle Windows-Maschinen unter https://developer.microsoft.com/en-us/microsoft-edge/tools/vms/ kostenlos zum Download an. Das Angebot richtet sich an Entwickler, die Webseiten mit Edge testen wollen. Es handelt sich aber um komplette Windows-Systeme, die 90 Tage ohne Einschränkung laufen. Das verfügbare Windows 10 („MsEdge on Win10 (x64) Stable 1809“) hat eine Downloadgröße von 6,7 GB. Unter „Select platform“ stellen Sie „Virtualbox“ ein. Den gezippten Download entpacken Sie, öffnen die OVA-Datei per Doppelklick in Virtualbox oder wählen dort „Datei -> Importieren“.
Microsoft gibt auf der Website den Tipp, vor dem ersten Start einen Schnappschuss der VM zu erstellen. Stellen Sie diesen vor Ablauf der 90 Tage wieder her, dann lässt sich die Windows-Appliance weitere 90 Tage nutzen. Dieser Hinweis und weitere Tipps zum Verlängern der Laufzeit erscheinen auch beim ersten Start der VM unübersehbar als Wallpaper. Für Linux-Anwender, die Windows vorübergehend für spezielle Software benötigen, ist die Appliance die eindeutig einfachere Alternative gegenüber der Installation des Windows-10-Enterprise-ISOs.
Ohne Nachbearbeitung geht es aber nicht: Das Wallpaper mit den Tipps wird früher oder später lästig. Eventuell wollen Sie auch das Standardkonto „IEUser“ mit Passwort „Passw0rd!“ ändern. Und auch die englischsprachige Oberfläche sowie die Zeitzone müssen über die „Einstellungen“ (Win-I) und „Time & Language -> Region“ erst auf Deutsch und europäische Zeitzone gesetzt werden.
Server-Appliances von Bitnami & Co
Auf Serversysteme spezialisiert sind die Sites www.bitnami.com und www.turnkeylinux.org. Hier erhalten Sie – überwiegend in OVA-Format – CMS-Systeme wie Drupal, Typo3, Joomla und WordPress sowie eine Vielzahl von Shop- und Entwicklungssystemen. Die VMs sind mit allem ausgestattet, was zum Betrieb notwendig ist, und ersparen Installation und Konfiguration von Apache/Nginx, Mysql und PHP. Das ist für alle, erst recht für unerfahrene Nutzer ein unschätzbarer Gewinn. Natürlich sind auch die Netzwerkeinstellungen der VM gleich so gesetzt („Netzwerkbrücke“), dass Serveranwendungen sofort funktionieren.
Eher an Entwickler und Firmen richtet sich das Appliance-Angebot von Vmware (https://marketplace.vmware.com/vsx). Das Portal bietet vorkonfigurierte Spezialsysteme. Nicht alle virtuelle PCs sind hier frei verfügbar, einige erfordern eine Registrierung oder eine Gebühr.
Eine einmal optimierte VM als OVA-Paket oder als VDI-Image weiterzugeben, ist denkbar einfach. Daher lohnt sich die Suche nach einem solchen Angebot auch bei vielen Einzelprojekten, wie folgende, eher zufällig gewählte Beispiele abschließend zeigen sollen:
Only Office: Im Downloadbereich www.onlyoffice.com/de/download-docs.aspx lässt sich nach einem Klick auf „Community“ die „Univention-Anwendung“ wahlweise mit Nextcloud oder Owncloud als VM herunterladen und in Virtualbox importieren.
Whonix: Das anonymisierende Surfsystem ist in der Zielsetzung mit dem Livesystem Tails vergleichbar, hat aber als Virtualbox-Appliance einen anderen Ansatz mit zwei parallelen VMs. Die OVA-Appliance mit circa 2,2 GB gibt es unter www.whonix.org/wiki/VirtualBox/XFCE. Nach dem Import in Virtualbox erscheinen zwei neue VMs, wovon Sie immer erst das Gateway, danach die Workstation starten. Das Konstrukt erscheint aufwändig, läuft aber auf jedem durchschnittlichen Rechner mühelos.