Das jüngste Endeavour OS 22.6 (ab hier kurz „EOS“) hat vor allem die ARM-Unterstützung für Raspberry- und Odroid-Platinen ausgebaut. EOS ist Nachfolger des eingestellten Antergos und hat denselben Anspruch wie das bekanntere Manjaro, nämlich mit einem grafischen Installer den Zugang zu Arch Linux zu vereinfachen.
Laut Distrowatch hat EOS Manjaro inzwischen den Rang abgelaufen und liegt aktuell auf Platz 2 vor Mint, Manjaro, Ubuntu, Debian & Co. Generell scheinen Arch-Derivate und deren Rolling-Release-Modell derzeit hoch im Kurs: Sie gelten als besonders schnell und stets aktuell. Nachteile sind gelegentliche Paketkonflikte, eine Fokussierung auf das Terminal und eventuell nicht vollständig deutsch lokalisierte Komponenten. Die Frage dieses Artikels ist daher, ob sich EOS als das derzeit wohl beste Arch als Alltags-Desktop eignet?
Bezug und Installation
Das Installations-ISO und Livesystem erhalten Sie auf https://endeavouros.com/latest-release (1,8 GB). Dieser Live-Installer bringt standardmäßig den XFCE-Desktop mit, jedoch sind Sie nicht zwingend auf diese Oberfläche festgelegt. Der „Welcome“-Dialog des Livesystems zeigt mehrere Optionen, und im Normalfall wird die Installation mit „Start the Installer“ ausgelöst. Alle anderen Optionen können Sie ignorieren, allenfalls die Option „Endeavour community editions“ ist für Nutzer interessant, die sich für exotische bis experimentelle Oberflächen interessieren (Sway, Qtile, Openbox sowie die Endeavour-Eigenentwicklung Worm).
Die primäre Option „Start the Installer“ eröffnet dann wiederum die zwei Möglichkeiten „Offline“ und „Online“. Wer den mitgelieferten XFCE möchte, kann „Offline“ rein vom Installationsmedium installieren. Dies ist der schnellste und einfachste Weg. „Online“ bezieht Teile des Systems aus dem Web und erlaubt die Auswahl zwischen neun prominenten Oberflächen (Gnome, KDE, Cinnamon etc.).
Verantwortlich für das Setup ist der Calamares-Installer, den auch Manjaro und einige Ubuntu-Varianten nutzen. Die typischen Fragen betreffen Sprache, Zeitzone, Tastatur, Partitionierung (mit optionaler System-Verschlüsselung) und Erstbenutzer. Setzt man hier, wie vorgeschlagen, das Benutzerpasswort mit dem des Administrators identisch, erzielt man ein sudo-Verhalten genau wie bei Ubuntu & Co.
EOS: Ein erster Rundgang
Das System präsentiert sich am XFCE-Desktop und allen installierten Programmen komplett deutschsprachig mit ganz wenigen Ausnahmen bei EOS-eigenen Tools. Thema der neuen „Artemis“-Version ist die Apollo-Mission und Standardhintergrund am Anmeldebildschirm und am Desktop dazu passend eine steil startende Rakete: Hier wird der Mythos vom schnellen Arch gepflegt, der sich dann tatsächlich bestätigt: Das System bootet auf einem älteren Rechner (allerdings auf SSD) in 10 Sekunden. Da kann ein Ubuntu 22.04 nicht mithalten (13 Sekunden). Wie flink ein klassisch installierter Firefox agieren kann, wird Snap-geschädigte Ubuntu-Nutzer ebenfalls positiv überraschen. Auch der Start von Software-Schwergewichten wie Gimp ist praktisch per Mausklick geschehen. Wir kennen mit Bodhi Linux nur ein einziges Debian/Ubuntu mit vergleichbaren Reaktionszeiten.
Ressourcen-technisch fordert EOS mit dem Standarddesktop XFCE nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Debian/Ubuntu, nämlich etwa 650 MB ab Anmeldung. Auf der Festplatte bleibt es nach der Installation deutlich unter 5 GB, sollte aber für den Dauerbetrieb wie jedes Linux wenigstens 50 bis 100 GB auf der Systempartition vorfinden (Benutzerdaten nicht eingerechnet).
Hardware-technisch gibt es mit den von uns genutzten Standardkomponenten keinerlei Einschränkungen. EOS verwendet Kernel 5.18 und arbeitet problemlos im Multimonitorbetrieb, erkennt alle Medien, akzeptiert Linux-bewährte WLAN-Adapter, beherrscht ACPI-Ruhezustände und erkennt Funktions-Sondertasten auf Notebooks.
Nach der Anmeldung meldet sich der komplett deutsch lokalisierte „Welcome“-Dialog (eos-welcome). Die Angebote „Spiegelserver“ und „System-Update“ sollte man nach der Installation umgehend aufgreifen. EOS ist Terminal-dominiert, aber viele Aktionen wie eben auch die Systemaktualisierung kann man sich mit „Welcome“ vereinfachen. Es handelt sich um eine umfangreiche Kommando- und Scriptsammlung, die man als Autostart zwar abschalten („Nicht mehr starten“), aber als Favorit im Menü oder in der Systemleiste bereithalten sollte.
EOS arbeitet wie die allermeisten neueren Distributionen mit dem Init-Dienst systemd. Komponenten und Kommandos von systemctl, journalctl funktionieren daher wie gewohnt.
Paketmanager und Installationen
EOS nutzt die Arch-Paketquellen, bietet für den Software-Bezug aber nur ein sehr einfaches grafisches Programm. eos-quickstart („EndeavourOS Quickstart Installer“) zeigt eine kategorisierte Auswahl prominenter Software, die nach Markierung und „Install Now“ umstandslos installiert wird. Schwergewichte wie Chromium, Gimp, Libre Office, Thunderbird, VLC sind hier in jedem Fall anzutreffen. Im Dauerbetrieb und für die Installation speziellerer Tools wird das aber nicht ausreichen: Schon die Suche nach einem SSH-Server oder einem Werkzeug wie Filezilla bleibt hier vergeblich.
Basiskommandos des Terminal-Paketmanagers pacman sind daher unerlässlich. Dieser bezieht die Software aus den offiziellen Arch-Quellen. Ein zweiter Paketmanager yay kann zusätzlich die inoffiziellen AUR-Quellen nutzen. Wir empfehlen Arch-Einsteigern, zunächst bei den Arch-Quellen und bei pacman zu bleiben. Fürs Erste genügt (Beispiel)
pacman -Ss filezilla
zur Suche nach Software, ferner
sudo pacman -S filezilla
zur Installation und
sudo pacman -R filezilla
zur Deinstallation. Das komplette Systemupdate mit
sudo pacman -Syu
kann man alternativ auch mit dem Terminal-Link im Hauptmenü „System -> UpdateInTerminal“ erledigen oder mit dem freundlichen „Welcome“. Letzteres weist unter „Assistent -> Alle Arch-Pakete durchsuchen“ außerdem auf das Inventar unter https://archlinux.org/packages, das eine bequeme Online-Suche erlaubt. Passendes kann dann mit pacman -S […] installiert werden.
Systemverwaltung und Desktop
Systemverwaltung und Desktop
Neben den genannten grafischen EOS-Werkzeugen eos-quickstart (limitierter Software-Installer) und eos-welcome (wichtige klickfreundliche Scriptsammlung) bleibt es Arch-typisch spartanisch. Nahezu alles, was unter /usr/bin/eos-* an Systemprogrammen zu finden ist, sind Terminal-nahe Helfer. An grafischen EOS-Tools, die auch im Menü auftauchen, ist neben den bereits genannten nur noch der eos-update-notifier zu erwähnen, der die Frequenz der Systemaktualisierung einstellen kann. Im Übrigen überlässt EOS die grafische Systemverwaltung dem jeweils benutzten Desktop. Wer Terminal-Defizite hat, ist daher mit Desktops wie Gnome, KDE oder Cinnamon am besten beraten, die eine große Reichweite auch in Richtung Systemverwaltung besitzen. Nutzern ohne Terminal-Affinität wird man diese beeindruckend schnelle Distribution dennoch nicht empfehlen können.