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Linux für ältere Hardware

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Mit Hunderten unterschiedlich spezialisierter Distributionen lädt Linux dazu ein, für ältere Geräte passende Systeme und Rollen zu finden. Oder für benötigte Aufgaben sogar gezielt ältere Hardware einzukaufen.

„Linux auf älterer Hardware“ ist ein facettenreiches Thema: Zunächst ist es ja so, dass leichtgewichtige Linux-Desktops und erst recht Server-Distributionen ohne Desktop sehr genügsam sind und daher auf älterer Hardware (5-10 Jahre) und alter Hardware (10-15 Jahre) klaglos laufen. Und dann gibt es ja auch noch Distributionen mit dem spezialisierten Fokus, richtig alte Hardware (15-20 Jahre) mit wenig Speicher und moosalten CPUs wiederzubeleben. Auch 32-Bit-CPUs und CPUs ohne PAE-Erweiterung werden nach wie vor unterstützt.

Ab einer CPU der Pentium-III-Klasse oder AMD Athlon und einem Arbeitsspeicher ab 512 MB (theoretisch ab 256 MB) finden Sie in jedem Fall eine Linux-Distribution, die Windows XP leistungstechnisch ersetzen kann. Generell kommt alles mit den schlanken XFCE- und LXDE-Desktops schwächeren Rechnern entgegen. Die betreffenden Ubuntu-Varianten heißen Xubuntu (mit XFCE) sowie das noch schlankere Lubuntu (mit LXDE/LXQT). Noch Ressourcen-schonender arbeiten Bodhi Linux und Puppy-Varianten.

Das theoretisch mögliche Recycling obsoleter Hardware ist aber letztlich ein Sport ohne Endorphine. Uns geht es hier um ältere Hardware, die unter Linux noch einen richtig guten Job macht. Dabei gibt es eine Reihe von Aspekten und Gegenanzeigen, die manches Altgerät dann doch zum Elektronikschrott erklären. Neben der Hardware geht es natürlich auch um die Aufgabe, die diese Hardware erledigen soll: Geräte, die an einer Desktop-Rolle scheitern, können in anderer Rolle zur Starbesetzung werden.

Platinen-PCs gegen ältere Netbooks/Notebooks

Beim direkten Vergleich solider älterer Hardware kehrt nach etlichen Jahren des Raspberry-Hypes inzwischen gesunder Pragmatismus ein: Man kann und sollte kleine Platinenrechner nicht zu beliebigen Serveraufgaben prügeln. Selbst der aktuellste Raspberry Pi 3 ist mit USB 2.0 und Fast Ethernet oder gedrosseltem Gigabit-Ethernet kein Favorit für die Rolle als Datenserver.

Netbooks und Notebooks haben bauartbedingte Vorteile: Kontrollmonitor, Tastatur, Maus sind ohne Fummelei jederzeit verfügbar. Auch die Stromversorgung für passiv angeschlossene USB-Datenträger ohne eigenen Netzadapter funktioniert zuverlässig, was bei Platinen nicht immer gegeben ist. Mit der oft gar nicht so kleinen Festplatte ab 160, 200 und bis 500 GB ist auch schon mal ein Basislaufwerk an Bord, das neben dem System die wichtigsten Daten aufnehmen kann.

Die Leistung typischer Atom-CPUs von Netbooks liegt mindestens im Bereich des jüngsten Raspberry 3, lediglich schnellste Platinen wie Odroid XU4 oder Asus Tinker Board schneiden im CPU-Benchmark etwas schneller ab. 10 Jahre alte Notebooks sind meistens leistungsstärker als die ARM-CPUs von Platinen. Hinzu kommt auf Notebooks eine vergleichsweise üppige RAM-Ausstattung mit oft 4 GB (Raspberry 1 GB, Netbooks 1-2 GB).

Der Trend: Während der Raspberry-Hype etwas abflaut, ist der dadurch gewachsene Serverbedarf im Heimnetz ungebrochen. Die Home-Admins halten aber vermehrt Ausschau nach älteren, aber soliden Notebooks und Netbooks als Hardware-Basis für den Linux-Server.

Netbooks: Ideal für Nebenrollen

Netbooks hatten 2007 bis 2010 eine kurze Blütezeit, die durch noch handlichere Tablets ab 2010 jäh beendet wurde. Hardwaretechnisch sind die kleinen Geräte komplette PCs, die aber für den Preis von etwa 250 bis 450 Euro gezielt mit kostengünstigen, leistungsschwächeren und stromsparenden Komponenten bestückt wurden. Typisch sind stromsparende Intel-Atom-CPUs (seltener Celeron) mit bis zu 1,66 GHz, 1 GB RAM (seltener 2 GB), drei USB-2.0-Ports, Fast-Ethernet, WLAN (802.11n), Audio-Chip (Mikro-Eingang und Lautsprecher-Ausgang), Kartenleser, kleines Display mit der Auflösung 1024×600 sowie VGA-Ausgang für einen sekundären Monitor (auch Dual-Monitor-Betrieb). Die mechanische Festplatte bietet meistens 160 bis 250 GB. Netbooks arbeiten zwar nicht lüfterlos, sind aber in Regel sehr leise – leiser als Notebooks. Der Stromverbrauch liegt auch bei Hochlast unter 20 Watt, im Leerlauf unter 10 Watt.

Mit diesen Eigenschaften erreicht oder schlägt ein altes Netbook die meisten aktuellen Platinenrechner. Der Fast-Ethernet-Durchsatz (100 MBit/s) lässt sich mit der Investition in einen USB-to-Ethernet-Adapter zusätzlich verbessern. Der Delock Adapter (ca. 21,50 Euro etwa bei www.reichelt.de) mit schnellem USB 3.0 und schnellem Gigabit-Ethernet kommt am USB-2.0.Port eines Netbooks immerhin auf 300 MBit/s – das entspricht dem gleichermaßen gebremsten Gigabit-Netzadapter beim jüngsten Raspberry 3 B+.

Als komplette Arbeits-Desktops werden Netbooks trotzdem nicht befriedigen. Zum Surfen kann aber ein solches Gerät noch genügen, wenn am Desktop gespart, also etwa ein Lubuntu (www.lubuntu.net) oder Bunsenlabs (www.bunsenlabs.org) gewählt wird. Zudem empfiehlt sich als Webbrowser ein Leichtgewicht, das vielleicht nicht alles kann, aber dafür schnell ist. Falkon (Qupzilla) ist hier ein sehr guter Kompromiss und in allen Standardpaketquellen verfügbar – entweder als Paket „falkon“ oder zumindest als Vorgängerpaket „qupzilla“.

Noch besser eignen sich solide Kandidaten wie ein Asus EEE für kleine Serverrollen im Netzwerk. Flaschenhals für den Dienst als Dateiserver ist USB 2.0: Mit dem bereits erwähnten USB-to-Ethernet-Adapter und damit erreichbaren 300 MBit/s sind aber Heimnetzansprüche in der Regel gut erfüllt. Überhaupt keine Gegenanzeigen gibt es, wenn das Netbook Aufgaben übernimmt, die kein hohes Datenaufkommen haben: Das kann etwa ein Mediawiki (benötigt komplettes LAMP-Paket mit Linux, Apache, Mysql und PHP, siehe www.mediawiki.org) oder ein Dokuwiki sein (benötigt Linux, Apache und PHP, siehe www.dokuwiki.org), das alle wichtigen Notizen, Adressen, Bilder im Heimnetz anbietet. Das kann aber auch eine Web-basierte Dokumentensuche mit dem Tool Recoll sein oder eine PDF-Bibliothek mit der Software Calibre.

Professionelles Renovieren („Refurbish“) von Netbooks scheint sich für Händler nicht zu lohnen. Gebrauchte Netbooks finden Sie praktisch nur über Ebay und private Kleinanzeigen. Die typischen Preise liegen zwischen 50 und 100 Euro. Beim Kauf eines gebrauchten Netbooks sollten Sie Atom-CPUs wie N270, N280 oder höher bevorzugen, ferner eine – allerdings seltene – RAM-Ausstattung mit 2 GB.

Homeserver für 200 bis 300 Euro: Dieses gebrauchte Thinkpad-Notebook L440 ist für etwa 200 Euro erhältlich und bringt alles mit, was ein schneller und zuverlässiger Linux-Server braucht.

Notebooks: Refurbished oder B-Ware als Datenserver

Mit soliden älteren Notebooks können selbst leistungsstarke Platinenrechner wie Odroid XU4 oder Banana Pro kaum mithalten. Neben den allgemeinen Vorteilen des Notebooks wie Display, Tastatur, Maus, Stromversorgung für USB kann das Notebook in der Regel die schnellere CPU und mehr RAM vorweisen. Lediglich der Stromverbrauch ist beim Notebook etwas höher: Nicht allzu alte Notebooks verbrauchen bis zu 25 Watt, sehr alte bis zu 40 Watt (Platinenrechner nur circa 4 bis 10 Watt).

Wer keinen Notebook-Oldie vorrätig hat, sondern ein gebrauchtes Gerät für eine Rolle als Datenserver gezielt erwerben will, sollte penibel auf die Input/Output-Komponenten achten. Ideal wäre USB 3.0 in Verbindung mit Gigabit-Ethernet. Fehlendes USB 3.0 lässt sich kaum kompensieren, langsameres Fast Ethernet (100 MBit/s) hingegen relativ leicht durch einen externen USB-to-Ethernet-Adapter mit Gigabit-Leistung.

Gute gebrauchte Notebooks, die alle diese Voraussetzungen mitbringen und sich mit i3-CPU aufwärts und 4 GB RAM aufwärts für Serveraufgaben ideal eignen, kosten typischerweise 150 bis 300 Euro. Solche Notebooks bieten viele Fachhändler an – zum Teil B-Ware mit leichten Mängeln, ferner Vorführgeräte sowie fachmännisch renovierte („refurbished“) Gebrauchtgeräte. Besonders zu empfehlen sind nach unserer Erfahrung die unverwüstlichen Thinkpads von Lenovo, ferner auch Pro Books oder Elitebooks von HP. Andere HP-Serien wie Pavilion sind hingegen qualitativ allenfalls ausreichend. Dell-Notebooks werden im Server-Dauerbetrieb gerne zu heiß.

Eine größere Auswahl finden Sie bei folgenden Händlern (Stand: Anfang 2019):

www.amazon.de (z. B. „Thinkpad gebraucht“ ab 150 Euro)

www.conrad.de („Refurbished“ oder „Vorführware“ ab 199 Euro)

www.pollin.de („Refurbished“ ab 229 Euro)

www.itsco.de/notebooks („B-Ware“ ab 179 Euro)

www.gebrauchtcomputer24.de/ (ab 89 Euro)

www.luxnote-hannover.de (ab 199 Euro)

www.esm-computer.de (ab 219 Euro)

Wer auf die Sicherheit, die der Kauf bei einem Händler bietet, verzichten kann, wird bei Ebay und Co noch günstigere Angebote finden.

Beachten Sie, dass der größte Schwachpunkt gebrauchter Notebook für den Einsatz als stationärer Linux-Server keine Rolle spielt – der Akku nämlich. Wenn Netbooks oder Notebooks im Dauerbetrieb an der Steckdose hängen, können Sie den Akku komplett entfernen. Das verringert auch den Stromverbrauch, weil das Gerät dann keine Veranlassung mehr hat, den Akku nachzuladen. Das Display, das ebenfalls nur eine Nebenrolle spielt und auch mit Pixelfehler für einen Server taugt, sollte per Funktionstasten so dunkel wie möglich eingestellt werden.

Ältere Platinenrechner, PCs und NUCs

Sieben Jahre nach dem ersten Raspberry Pi werden die Nachteile von Einplatinenrechnern deutlich: Sie sind nicht skalierbar und veralten rasend schnell. Wer von Anfang an mitgespielt hat und mehrfach auf leistungsstärkere Nachfolger oder Alternativplatinen umgestiegen ist, hat jetzt vermutlich die eine oder andere Platine in der Schublade, mit der sich nichts Ernsthaftes mehr anstellen lässt. Im Vergleich zu aktuellen Platinen sind die frühen Einkerner mit 512 MB RAM, langsamen Ethernet und fehlendem WLAN bestenfalls noch Bastlermaterial. Wer nicht gerne und hobby-mäßig mit Platinen experimentiert, sondern einfach eine nachhaltige Server-Hardware betreiben will, fährt vermutlich mit einem älteren Netbook, Notebook oder Intel NUC besser.

Schlecht steht es auch um die Verwertbarkeit älterer PCs: Die Größe spricht ebenso gegen einen Einsatz im Wohnzimmerschrank wie die typischen Betriebsgeräusche durch alte Lüfter und Festplatten. Außerdem verbrauchen alte wie neue Tower-PCs typischerweise 50 bis 100 Watt pro Stunde (ohne Monitor) und sind damit per se keine idealen Kandidaten für den Dauerbetrieb. Wenn diese Kriterien für Sie keine Rolle spielen, stellen sich immer noch die üblichen Fragen zur Tauglichkeit von CPU, RAM und I/O-Schnittstellen.

Die für den Servereinsatz attraktiven Mini-PCs der Sorte Intel NUC oder Zotac Zbox sind bei kommerziellen Händlern noch kaum anzutreffen. Auf Ebay und privaten Kleinanzeigen müssen Sie bei dieser Geräteklasse besonders genau verifizieren, ob das angebotene Gerät ein Laufwerk und RAM-Bausteine mitbringt.

HDT: Der Hardware-Check

Wer ein gebrauchtes Notebook gekauft oder ein altes Netbook aus dem Keller gekramt hat, muss erst einmal wissen, welche Hardware in diesem Gerät tatsächlich steckt. Was leistet die CPU tatsächlich, wieviel RAM steckt auf dem Motherboard? Funktioniert die Festplatte noch und wie groß ist sie? Dafür nutzen Sie am besten das Hardware Detection Tool (HDT, http://hdt-project.org). Falls das Gerät kein optisches Laufwerk besitzt, können Sie HDT im Handumdrehen mit

sudo dd if=hdt-0.5.2.img of=/dev/sd[x]

oder unter Windows mit dem Win 32 Disk Imager auf einen USB-Stick kopieren.

In HDT verwenden Sie vorzugsweise den „Menu mode“. Dieser zeigt unter „Summary“ schon mal das CPU-Modell mit Angabe über 32 oder 64 Bit sowie die aktuelle RAM-Kapazität. Genauer wird es unter den Kategorien „Processor“ und „Memory“, die sich mit den Cursortasten ausklappen lassen. Unter „Processor“ erscheinen das CPU-Modell, ferner die Architektur-Info („x86_64“ – „Yes“ oder „No“) sowie alle CPU-Eigenschaften als „Flags“ („pae“, „mmx“ etc.). Infos zu internen Festplatten liefert HDT unter „Disks“,

Fast noch wichtiger für die Tauglichkeit als Datenserver sind aber die Angaben unter „PCI-Devices“: Sie informieren über Grafikkarte, Soundchip, Ethernet (Fast oder Gigabit?), WLAN-Chip (altes 801.11g, brauchbares 801.11n oder sogar aktuelles 801.11ac?). Ein K.O.-Kriterium ist ferner die USB-Version. Wenn das Altgerät optimales USB 3.0 anbietet, erkennen Sie das schon äußerlich leicht an den blauen USB-Buchsen. Ob jedoch tolerierbares USB 2.0 vorliegt oder inakzeptables USB 1.x, ist äußerlich nicht erkennbar und auch unter HDT nicht ganz eindeutig zu ermitteln: Was HDT unter „PCI-Devices“ für den „USB (Host) Controller“ anzeigt, ist oft erst anhand der gezeigten Produkt-IDs zu recherchieren. Allgemein indizieren unter HDT die Abkürzungen „OHCI“ eine USB-Version 1.1, „EHCI“ Version 2.0 und „XHCI“ Version 3.0. Ganz eindeutig ist dies nicht, da auch Bezeichnungen wie OHCI2 auftauchen, was dann immerhin für USB 2.0 spricht.

Wissen, was drinsteckt: Das unabhängige, bootfähige Tool HDT (auf Heft-DVD) analysiert die komplette Hardware.

32- oder 64-Bit-CPU? PAE oder Non-PAE?

Wie Sie einem Rechner Informationen über die CPU-Architektur und die CPU-Eigenschaften entlocken, erklärt der obige Abschnitt „HDT: Der Hardware-Check“. Hier geht es um die Konsequenzen dieser Recherche.

Im Prinzip ist ein 32-Bit-Prozessor kein K.O.-Kriterium. Es gibt immer noch viele prominente 32-Bit-Systeme wie Lubuntu/Xubuntu 18.04/18.10 oder Debian 9.0.5. Auch Ubuntu 18.04 Server ist als 32-Bit-Variante zu finden (http://cdimage.ubuntu.com/netboot/bionic/). Spezialisten für ältere Hardware und damit allesamt auch in 32-Bit-Ausführung verfügbar sind Antix (https://antixlinux.com), Q4-OS (https://q4os.org/) und Bodhi Linux (www.bodhilinux.com). Im Umfeld von Linux-Distributionen erkennen Sie 32-Bit-Varianten an der Kennzeichnung „i386“ und 64-Bit-System an „amd64“, was in diesem Fall keine Einschränkung auf AMD-CPUs bedeutet.

Auch ein fehlendes PAE-Flag ist kein K.O-Kriterium: PAE steht für Physical Address Extension und befähigt 32-Bit-CPUs, mehr als 3,2 GB Arbeitsspeicher zu nutzen. Fehlt dem Prozessor diese Eigenschaft, kann Linux normalerweise nicht starten. Es gibt aber immer noch Distributionen mit einem speziellen Non-PAE-Kernel. Von Bodhi Linux 5.0 gibt es unter (https://sourceforge.net/projects/bodhilinux/files/5.0.0/) ein ISO-Image mit dem Zusatz „legacy“. Antix 17.2 ist auf Altrechner spezialisiert und bietet konsequenterweise auch noch eine Non-PAE-Variante (https://antixlinux.com/download/).

So viel zur Theorie. In der Praxis halten wir Recycling-Experimente mit 32-Bit-CPUs und erst recht mit CPUs ohne PAE-Erweiterung für grenzwertig. Praktisch alle 32-Bit-CPUs und solche ohne PAE sind älter als 15 Jahre und lohnen sich kaum mehr für neue Aufgaben. Nennenswerte Ausnahmen sind die 10 bis 12 Jahre alten Netbooks mit Intel-Atom-CPUs, die zwar größtenteils mit 32 Bit arbeiten, aber für kleine Serverrollen durchaus genügen.

32-Bit-Linux auf 64-Bit-Hardware: Wo nicht mehr taufrische 64-Bit-Hardware vorliegt, müssen Sie nicht unbedingt ein 64-Bit-Linux installieren. Die Vorteile von 64 Bit kommen erst bei mehr als vier GB RAM zur Geltung. Daher empfehlen wir für 64-Bit-CPUs und einer RAM-Ausstattung bis zu 4 GB 32-Bit-Systeme, die mit RAM und Datenträger sparsamer umgehen.

Viel RAM und 32-Bit-Linux? Das folgende Sonderproblem sollten Sie kennen, auch wenn es in der Praxis selten auftreten dürfte: Ein 32-Bit-Linux kann zwar per PAE (Physical Address Extension) mehr als 4 GB RAM nutzen, jedoch muss man jenseits von 8 GB RAM mit einer irritierenden und dramatischen Verlangsamung aller Festplattenzugriffe rechnen. 32-Bit-Systeme schalten den Festplattencache nämlich paradoxerweise ab, wenn mehr als 8 GB RAM vorhanden sind. Abhilfe schafft eine künstliche Begrenzung auf 8 GB in der Datei „/etc/default/grub“:

GRUB_CMDLINE_LINUX_DEFAULT="quiet splash mem=8G"

Besser als diese Maßnahme ist bei solcher Speicherausstattung natürlich die Wahl eines 64-Bit-Systems. Das Dilemma, auf einem Rechner mit 16 GB RAM ein 32-Bit-System wählen zu müssen, weil noch eine 32-Bit-CPU vorliegt, dürfte sich kaum ergeben.

Distributionen ohne Risiko: Lubuntu und Mint MATE

Wenn Sie ältere Hardware pragmatisch, schnell und ohne Lernaufwand wiederbeleben möchten, ist Lubuntu oder Antix Mate erste Wahl: Lubuntu läuft notfalls schon mit 256 MB RAM, bei besser ausgestatteten Rechnern nimmt sich dieses System etwa 300 MB ab Start, als CPU reicht ein Pentium III.

Beide Systeme sind nicht nur sehr genügsam, sondern bieten durch ihren konservativen Desktop mit Hauptleiste inklusive Startmenü jedem XP-Nutzer auf Anhieb eine neue Heimat. Es kommt hinzu, dass beide Distributionen eine zwar anspruchslose, aber vollständige Softwareausstattung mitbringen. Nach der Installation können Sie sofort loslegen.

Infos und Download zu Lubuntu: www.lubuntu.net

Infos und Download zu Antix: https://antixlinux.com

Anpassungen erwünscht: Xubuntu mit XFCE

Das nicht mehr ganz so schlanke Xubuntu sollte sich mit 512 MB RAM und einer CPU ab Pentium IV zufriedengeben. Auf besser ausgestatteter Hardware nimmt es sich aber ab Start bereits circa 400 MB. Für ordentliche Reserven bei der Software ist daher 1 GB RAM zu empfehlen – also noch im Rahmen der typischen Netbook-Ausstattung.

Xubuntu zeigt nach der Erstinstallation kaum Vorzüge gegenüber dem schlankeren Lubuntu oder Mint LXDE. Auch hier findet sich ein klassisches Anwendungsmenü in der Hauptleiste. Der exzellente und ausgereifte XFCE-Desktop zeigt seine Überlegenheit erst bei genauerem Hinsehen: Zum XFCE-Feinschliff gehört das zusätzlich nach Rechtsklick am Desktop stets verfügbare Anwendungsmenü oder das Drag & Drop von Dateien mit rechter Maustaste und folgendem Kontextmenü, wie Sie es unter Windows kennen. Im Hauptmenü unter „Einstellungen“ finden Sie zahlreiche Angebote, Themes, Dateimanager-Verhalten oder die Fensteroptik einzustellen. Die Anpassungsmöglichkeiten für Symbolleisten, Desktop und Dateimanager sind unerschöpflich detailliert, und dies nicht nur optisch. Xubuntu eignet sich besonders für etwas erfahrenere Nutzer, die sich die Oberfläche gerne optimal und individuell anpassen.

Infos und Download zu Xubuntu: http://xubuntu.org

Xubuntu 13.10
Ausgereiftes System für schwächere Hardware: Xubuntu mit XFCE lädt ein zur individuellen Anpassung und hat dabei etwas höhere RAM-Ansprüche als ein Windows XP.

Empfehlung für Bastler: Bodhi Linux

Auch Bodhi Linux basiert auf Ubuntu, davon sieht man aber nichts. Bodhi nutzt als Oberfläche die Eigenentwicklung Enlightenment 17 (E17). Hier wird es Hardware-technisch wirklich minimalistisch, nicht aber optisch-ästhetisch: Bodhi läuft angeblich schon mit 128 MB und einer 300-MHz-CPU. Auf unserem Test-Netbook mit einem GB RAM schlägt Bodhi nach der Anmeldung tatsächlich mit nur 103 MB zu Buche, mehr als 150 MB sind für das reine System auch im Dauerbetrieb nie zu messen. Mit 512 MB oder einem GB RAM hat Bodhi somit richtig Reserven für Browser und Anwendungen.

Was Bodhi noch spektakulärer macht: E17 ist ein ästhetisch ansprechender Desktop, der sich sogar noch verspielte Effekte leistet. Mit der „Einstellungskonsole“ lässt sich jedes winzige Detail der Oberfläche minutiös konfigurieren, Starterleiste „Engage“ und Hauptpanel „Shelf“ können Sie nach Belieben bestücken. Ein globales Startmenü ist beim Klick auf den Desktop jederzeit abrufbereit.

Bodhi hat leider auch Nachteile: So ist ein gemischtsprachiges System in Kauf zu nehmen, und die vorinstallierte Software bringt kaum das Mindeste mit. Neben Nachinstallationen muss der Bodhi-Nutzer auch Geduld mit einigen Ungereimtheiten in den unzähligen Einstellungsoptionen mitbringen.

Ein ganz großer Mangel: Der E17-eigene Dateimanager kann keinen LAN-Zugriff. Daher ist es erste Pflicht, einen zusätzlichen Dateimanager zu installieren. Hier kommen nicht beliebige in Frage, da etwa Nautilus oder Nemo die Desktop-Arbeitsfläche verändern und damit das E17-Design empfindlich stören. Es bietet sich der schlanke pcmanfm an (sudo apt-get install pcmanfm).

Infos und Download zu Bodhi Linux: www.bodhilinux.com
Zukunft und Weiterentwicklung von Bodhi Linux sind leider ungewiss. Die lange angekündigte Version 3.0 kam über den Status als Release Candidate nicht hinaus. Die Aufgabe des vielversprechenden Projekts wäre sehr bedauerlich.

Bodhi Linux
Unglaublich sparsam: Bodhi Linux begnügt sich mit 100 bis 150 MB und bietet trotzdem einen eleganten Desktop – ein System für Nutzer, die sich auf Neues einlassen und kleinere Mängel tolerieren.

Ausgereifter Minimalist: Puppy Linux

Puppy Linux spielt als spezialisierter Minimalist etwa in der Öko-Liga von Bodhi Linux und bietet dabei eine Reihe von Varianten. In erster Linie kommt Precise Puppy in Betracht, weil Sie damit die komplette Software der Ubuntu-Repositories nutzen können. Nach der Anmeldung benötigt das System circa 115 MB, als CPU genügt ein 400 MHz-Prozessor. Anders als Bodhi Linux sieht man Puppy, das primär für den mobilen Einsatz auf USB- und CD-Medien konzipiert ist, seinen Sparkurs deutlich an. Installation und Einrichtung setzen etwas Erfahrung voraus. Ungeachtet seiner pragmatisch-spröden Bedienung hat Puppy Linux 10 Jahre Entwicklung hinter sich und ist neben Bodhi Linux der reifere Minimalist.

Einen ausführlichen Beitrag zu den Puppy-Varianten bietet der Artikel Puppy-Systeme – klein und schnell

Infos und Download zu Puppy Linux: http://puppylinux.org

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Manjaro Architect

https://manjaro.org
Download ca. 600 MB (Installer – kein Livesystem

Der aus Deutschland stammende Manjaro Architect ist ein Installer für Bastler, die sich ihr System selbst maßschneidern wollen. Das Prozedere ist keine ganz große Herausforderung, aber etwas Basiswissen über Partitionen, Dateisysteme, Linux-Desktops und Kernel sollte man schon mitbringen. Da bei Manjaro Architect das Endergebnis offen ist, macht es hier keinen Sinn, Desktop-Eigenschaften oder Software-Ausstattung zu beschreiben. Vielmehr geht es um eine kurze Charakterisierung des Installers:

Nach dem Booten können Sie optional die deutsche Tastatur und Sprache einstellen. Danach wählen Sie den Eintrag „Boot: Manjaro.x86_64 architect“, melden sich auf der Konsole als „manjaro“ mit Passwort „manjaro“ an und starten mit der Eingabe „setup“ die Einrichtung. Der Installer arbeitet mit vorgegebenen Optionen und Auswahl mit Cursor- und Tab-Taste, ist also quasi halb grafisch (Ncurses-Basis), logisch vorbildlich, aber durchaus komplex.

Nach Auswahl der Sprache „German“ geht es im Hauptdialog zum ersten Punkt „1 Installation vorbereiten“. Hier sind nicht alle Unterschritte notwendig, aber mindestens „Konsolensprache einstellen“, „Festplatte partitionieren“ und „Partitionen einhängen“. Der schwierigste Punkt „Festplatte partitionieren“ zeigt mehrere Optionen, die das jeweils gewählte Kommandozeilentool starten. Auf unserem Test-Notebook mit einer Festplatte sda wählen wir ein Bios-Installation mit dem Tool cfdisk. Dabei muss das Partitionierungsschema (etwa „dos“ oder „gpt“) und ein Dateisystem gewählt werden (etwa „ext4“). Ferner wird die Größe des Swapfiles abgefragt. Die Zielpartition muss danach mit „Partitionen einhängen“ gemountet werden.

Zurück im Hauptmenü geht es zum nächsten Hauptpunkt „2 Desktop-System installieren“ – der eigentliche Hauptspaß, denn die hier gebotene Auswahl an Desktops, Kernel-Versionen, Kernel-Modulen (Netztreiber, Dateisysteme) und Software-Paketen baut ein System nach Maß. An Oberflächen bietet Manjaro Architect nicht weniger als 14 (!).

Vergessen Sie nach der Installation der Pakete nicht, den Grub-Bootloader zu installieren. Dies wird vom Installer als nächster Schritt angeboten und darf keinesfalls übersprungen werden. Weitere Schritte sind „Basis konfigurieren“ (root-Kennwort, weitere Konten, Hostname, fstab einrichten, Treiber etc.) und optionale „Tweaks“. Am Ende steht ein Arch-System nach Wunsch. Der Software-Bezug erfolgt am einfachsten über die grafische Zentrale „Software hinzufügen/entfernen“. Anpassungen und Optimierungen folgen den Standards des gewählten Desktops.

Manjaro Architect: Die Collage zeigt ein fertig installiertes Manjaro mit Cinnamon-Desktop und rechts oben den Hauptdialog des eigentlichen Architect-Installer.

Clu Linux Live

Ja, das gibt es auch noch: ein gut ausgestattetes Linux-Livesystem ohne grafischen Desktop. Beim Start des Livesystems sind vier Fragen zu beantworten, erstens nach dem (root-) Kennwort, ferner ob alle lokalen Laufwerke gemountet und ob Samba- und SSH-Server aktiviert werden sollen. Diese Entscheidungen sind alles andere als grundlos, denn wenn Sie allem zustimmen, sind sämtliche Laufwerke des darunterliegenden Rechners automatisch im Windows-Netz und via SSH freigegeben (mit dem angegebenen root-Kennwort und über die IP-Adresse). Eventuelle Datenrettung erfordert daher gar kein Terminal unter Clu Linux, sondern läuft bequem über Samba oder SSH im Netz.

Am System selbst sind alle typischen Kommandotools vorrätig, nicht zuletzt der Midnight Commander, der seinerseits als SSH-Client auf Linux-Rechner zugreifen kann. Clu Linux bootet nur von CD/DVD, kann aber als Bestandteil eines Multiboot-Sticks auf USB kopiert werden (etwa mit „Multiboot USB“).

Download (ca. 420 MB):
https://sourceforge.net/projects/clu-linux-live

KDE Neon User Edition

Die aus England stammende KDE Neon User Edition bietet auf Ubuntu-Basis einen immer hochaktuellen KDE-Plasma-Desktops – in diesem Fall KDE Plasma 5.14.5. Im Unterschied zum bekannteren und nicht weit entfernten Kubuntu steht hier KDE absolut im Fokus. Die Desktop-Komponenten erhalten laufende Updates, während die Ubuntu-Systembasis beim erprobten Stand der 18.04-LTS-Ausgabe bleibt.

Die delikate, neueste KDE-Plasma-Oberfläche ist per se eine Bedienerführung für Feinschmecker und mit ihrer Flexibilität ein Gegenentwurf zum simplifizierenden Gnome und seiner Abkömmlinge.  KDE Neon User Edition spricht daher in erster Linie anspruchsvolle Nutzer an: Die Anpassungsmöglichkeiten der Kontrollleiste(n), der Desktop-Designs, der Plasma-Widgets und der exzellenten KDE-Standards wie des Dateimanager Dolphin dürften Einsteiger überfordern, Systembastler hingegen begeistern. Nichtsdestotrotz liefert diese Distribution ab Installation einen eleganten, modernen Desktop mit klassischem Menü und Dateiablage, mit dem auch ein Windows-Umsteiger klarkommt. Zudem hat das ehemals sehr anspruchsvolle KDE seinen Ressourcenhunger gezähmt und fordert heute weniger RAM als ein Gnome oder Cinnamon.

KDE Neon nutzt zur Einrichtung aus dem Livesystem den bewährten Ubuntu-Installer, wenngleich dieser optisch angepasst wurde und daher deutlich anders aussieht. Die Software-Nachrüstung erfolgt über die exzellente Programmverwaltung Discover oder mit apt get install […] im Terminal. Alle Anpassungsoptionen versammeln die „Systemeinstellungen“, während Leistenänderungen und Desktop-Widgets direkt am Objekt über Kontextmenüs erfolgen.

Delikates KDE Neon für Ästheten: Schicke, dezente Effekte, kontrastreiche Designs, logisch organisierte Systemzentralen und reiche Anpassungsdetails sprechen vor allem Poweruser an.