Welches Linux ist das richtige?
Der gesamte Stammbaum der Linux-Distributionen und Projekte ist auf üblichen Medien nicht mehr komplett darstellbar. Trotz zahlloser Systeme fällt aber die Entscheidung für Windows-Umsteiger gar nicht so schwer.
Die obige Abbildung zeigt einen Teil des Stammbaums von Linux Debian und eine Hälfte der Ubuntu-Familie, die auf Debian basiert. Neben diesen zahllosen Debian-Systemen gibt es noch die Slackware- und Red-Hat- sowie die kleineren Arch- und Gentoo-Zweige. Insgesamt nutzen etwa lebende 350 Distributionen den Linux-Kernel, eine ebenfalls dreistellige Anzahl wurde im Laufe der Jahre eingestellt. Viele Varianten sind eng spezialisiert und scheiden als Desktop-System von vornherein aus, viele weitere sind zwar Desktop-tauglich, aber für Windows-Umsteiger ungeeignet. Lesen Sie hier, was für Einsteiger taugt und zugleich eine verlässliche Zukunft bietet.
Vorsortierung für Windows-Umsteiger
Etwas Linux-Familiengeschichte muss hier sein, denn damit können Sie schon mal ganz grob vorsortieren: Gentoo- und Arch-basierte Systeme sind Inseln für Linux-Kenner und für Windows-Umsteiger definitiv ungeeignet. Bei den Red Hat-Systemen lassen sich zwei Distributionen herausheben, die für technisch versiertere Umsteiger in Betracht kommen:
Fedora Linux ist in fast jeder neuen Version (aktuell 24) ein Hingucker mit innovativen Funktionen. Fedora ist aber weder auf Sparsamkeit getrimmt (falls Sie älteres Windows durch neues Linux ersetzen wollen) noch auf Einsteigerfreundlichkeit. Es ist das von Red Hat gesponserte Vorzeigeprojekt für Linux mit dem Fokus auf Aktualität. Fedora ist ein Desktop-System – für Server eignet es sich aufgrund häufiger Updates und Änderungen nicht (aber dafür gibt es ja Red Hat Enterprise bzw. Cent OS).
Infos und Download zu Fedora: https://fedoraproject.org/de.
Mageia, aktuell in Version 5, gehört ebenfalls zur Red-Hat-Familie. Es ist neben Fedora eine weitere Variante, die ganz eindeutig auf den Endanwender-Desktop zielt. Der Installationsassistent gehört zum Besten, was Linux zu bieten, und die Oberfläche ist bei jeder Wahl intuitiv (KDE oder Gnome). Gegen Mageia spricht aktuell nur, dass die junge Distribution (seit 2010) keine Tradition hat und ihre Nachhaltigkeit noch ungewiss ist.
Infos und Download zu Mageia: www.mageia.org/de.
Open Suse, aktuell in Version 42.1, ist der einzige hier zu nennende Slackware-Abkömmling. Es war über mehr als ein Jahrzehnt fast unangefochten das einzige Linux, das mit komfortabler grafischer Bedienung und Konfigurierbarkeit (Yast – „Yet another Setup Tool“) auf den PC-Desktop zielte. Die grundsolide, aber durchaus komplexe Distribution hat in den letzten Jahren zugunsten der Ubuntu-Familie an Bedeutung eingebüßt. Open Suse tendiert neuerdings eher Richtung Innovation und Experimentierfreude, weniger Richtung Einsteiger- und Umsteigerfreundlichkeit.
Infos und Download zu OpenSuse: www.opensuse.org/de.
Ubuntu & Co., aktuell in Version 16.10 / 16.04 LTS, sind Debian-Abkömmlinge und mit gutem Grund erste Wahl bei Einsteigern und Umsteigern. Wer einfach und schnell ein funktionierendes System braucht, ohne sich in der Tiefe mit dem System selbst und der Administrierung befassen zu wollen, ist hier richtig. Außerdem bietet die Ubuntu-Familie bei identischer Basis und vergleichbaren Installern fertig konfektionierte Varianten mit unterschiedlicher Ausstattung für jeden Einsatzzweck und Geschmack: Neben Ubuntu selbst sind das unter anderem Linux Mint (Version 18), Kubuntu mit dem alternativen KDE-Desktop, Xubuntu mit geringen Hardware-Anforderungen und das besonders leichtgewichtige Lubuntu. Die nachfolgenden Artikel beziehen sich allesamt auf Ubuntu und dessen Varianten.
Infos und Downloads: www.linuxmint.com, www.ubuntu.com, http://xubuntu.org, www.kubuntu.org, www.lubuntu.net.
Die interessantesten „Ubuntus“
Ubuntu 16.10 (und 16.04 LTS): Seit der ersten Version 2004 hat sich Ubuntu zur beliebtesten Distributionen und für viele Anwender wie Entwickler zum Quasi-Standard für Linux auf dem Desktop entwickelt. Die Installation, jedenfalls als Solo-System, gelingt mit dem grafischen Installer Ubiquity mühelos (alle Ubuntu-Ableger wie Linux Mint, Zorin OS oder Bodhi Linux verwenden diesen Installer).
Die Benutzung des Standard-Ubuntu über ein Hauptpanel oben und ein Startpanel links überzeugt nicht nur ästhetisch, sondern leuchtet auch sofort ein – obwohl sie mit klassischen Regeln bricht. Diese Desktop-Eigenentwicklung Unity wird daher von vielen Linux-Fans kritisiert, auch die Zusammenarbeit mit Amazon und Ebay gefallen nicht jedem. Windows-Umsteiger werden dies alles gelassener sehen: Die reduzierte Unity-Oberfläche ist ideal für Linux-Anfänger, die wenig System und viel Software sehen wollen. Und das Einblenden von Amazon-Angeboten lässt sich technisch abschalten oder durch präzisere Sucheingaben verhindern.
Von Ubuntu gibt es immer eine aktuelle Variante (im Moment 16.10) und eine LTS-Variante (Long Term Support, im Moment Version 16.04). Die LTS-Versionen enthalten zwar nach kurzer Zeit nicht mehr die neuesten Funktionen, werden aber in Unternehmen wie bei vielen Privat-Anwendern bevorzugt, weil sie fünf Jahre durch Updates versorgt werden. Die Zwischenversionen erhalten nur neun Monate Support. Wenn Sie sich heute für ein Ubuntu 16.10 entscheiden, läuft der Support im Juli 2017 aus, bei 16.04 LTS läuft er bis 2021. Aber auch die Entscheidung für eine Nicht-LTS-Version ist keine kurzlebige Sackgasse, denn Ubuntu erlaubt das Upgrade auf die nächsthöhere Version (wird über die „Aktualisierungsverwaltung angezeigt, alternativ geht es auch im Terminal mit dem Befehl „sudo apt-get install dist-upgrade“).
Xubuntu: Dieses schlanke Ubuntu ist ideal für ältere Hardware und schwach ausgestattete Netbooks. Nach der Installation mit dem Ubuntu-üblichen Installer präsentiert sich die Distribution zwar eher unvorteilhaft und düster, aber der leichtgewichtige und exzellente XFCE-Desktop bietet jeden Spielraum für individuelle Gestaltung. Etwas (Windows-) Erfahrung sollten Sie dafür mitbringen. Xubuntu bietet Leisten mit allem Transparenz-Schick, ein stets verfügbares Anwendungsmenü (nach Rechtsklick am Desktop) und ein Drag & Drop mit rechter Maustaste, wie Sie es sonst nur unter Windows finden.
Kubuntu: Kubuntu ist ein Ubuntu, das statt dem Standard-Desktop Unity die anspruchsvolle KDE-Oberfläche mitbringt. KDE vereint zweifellos Eleganz mit Funktionalität durch maximale Konfigurierbarkeit. Diese Oberfläche kann ihre Stärken aber nur auf leistungsstarken PC und großen Bildschirmen ausspielen und eignet sich dort insbesondere kompetente Nutzer, die Spaß am Optimieren ihrer Arbeitsumgebung haben. Bei der vorinstallierten Software findet sich nur Libre Office als gemeinsame Schnittmenge mit dem Standard-Ubuntu. Beachten Sie, dass das Live-Kubuntu eine englische Oberfläche besitzt, das installierte Kubuntu jedoch komplett deutsch lokalisiert ist.
Ubuntu Gnome ersetzt den Ubuntu-Standard Unity durch den aktuellen Gnome-Desktop 3.8. Gnome ist ein anspruchsvoller Desktop mit gewissen Hardware-Ansprüchen und hat ein avantgardistisches Bedienkonzept ohne typisches Programmmenü – mit per Mausaktion oder Hotkey einblendbaren „Aktivitäten“ und einem zentralen Suchfeld. Was erst gewöhnungsbedürftig aussieht, erweist sich als funktional, schick und durchdacht. Umsteiger, die sich sowieso umstellen müssen, sollten sich auf Anhieb zurechtfinden. Die enthaltenen Programme und Systemtools orientieren sich durchgehend am Ubuntu-Standard, auch das Ubuntu Software-Center ist an Bord.
Linux Mint 18 basiert zu großen Teilen auf dem Ubuntu-Code. Die derzeit beliebteste Distribution bringt aber als wesentlichste Eigenentwicklung die Desktop-Oberfläche „Cinnamon“. Diese klassische Oberfläche ist eine Absage an Ubuntus Unity-Oberfläche und insbesondere das Startmenü eine einladende Haustür für Windows-Umsteiger. Daneben bringt Mint eine Vielzahl kleinerer Überarbeitungen des Ubuntu-Standards, so etwa einen verbesserten Dateimanager („Nemo“) und diverse Mint-Tools wie das grafische Sicherungsprogramm Mintbackup.
Mint nutzt ausschließlich LTS-Versionen von Ubuntu als Basis. Das aktuelle Mint 18 basiert auf dem jüngsten Ubuntu 16.04 LTS und wird wie dieses bis 2021 mit Updates versorgt.