Platine Odroid M1 (seit Frühjahr 2022)

Seit Erscheinen des Raspberry-Modells 4 ist es für andere Platinenhersteller eine echte Herausforderung, zu einem angemessenen Preis ein überzeugendes Konkurrenzprodukt anzubieten. Der neue Odroid M1 will mit Sata-3-Port und NVMe-Slot punkten.

Die Platinenfamilie Odroid des koreanischen Herstellers Hardkernel (www.hardkernel.com) gehört seit Jahren zu den größten Raspberry-Konkurrenten. Die Odroid-Hardware ist robust und in der Regel ausgewogen konzipiert. Das einfache Grundkonzept war schon immer, für etwas mehr Geld mehr Leistung als der gerade aktuelle Raspberry zu liefern oder andere Anschlussmöglichkeiten als dieser. Die bisherige Palette mit Odroid XU4, Odroid HC4, Odroid N2 und Odroid H3 wird neuerdings ergänzt durch die Platine Odroid M1.

Odroid M1: Schnell ausverkauft

Mit 160 Euro muss man mindestens rechnen, sofern man neben der eigentlichen Platine (etwa 120 € oder 140 € mit 4 GB oder 8 GB RAM) das unentbehrliche Netzteil (etwa 7 Euro), ein Gehäuse (etwa 13 Euro) und ein Kabel- und Montage-Set für Sata (etwa 13 Euro) benötigt. Und Achtung: Dies waren die Preise einschlägiger Elektronik-Versandhändler wie Pollin oder Reichelt im April und Mai 2022. Seit der Odroid M1 in erster Marge schnell vergriffen war, stiegen umgehend die Preise.

Die nachfolgenden Eckdaten versprechen in der Tat ein besonders flott laufendes Betriebssystem dank Installation auf NVMe, Sata oder eMMC sowie einen rasanten Serverbetrieb dank Sata-Laufwerk. Ein Sorglospaket für Einsteiger ist die Platine im Unterschied zum universellen Raspberry 4 indes nicht: WLAN- und Bluetooth-Chip fehlen, beim Einsatz eines Sata-Laufwerks gibt es Bedingungen, die man vorab kennen sollte, und auch bei USB ist nicht jede beliebige Anschlussoption möglich. Nicht zuletzt gibt es vorläufig nur ein schmales Angebot bei der Systemsoftware, sodass der Käufer bei der Auswahl des Betriebssystems eventuell Kompromisse eingehen muss. Aber das lohnt die Hardware allemal.

Anschlussfreudiger Odroid M1: Die Standardports oben bieten Gigabit-Ethernet, HDMI, je zweimal USB 2.0 und USB 3.0. Darunter gibt es den Slot für eine NVMe-SSD, rechts unten Sata-Datenport und Sata-Stromversorgung, unten Mitte den eMMC-Anschluss. GPIO-Pins und Audio-Klinkenbuchse sind ebenfalls vertreten.

Odroid M1: Die technischen Eckdaten

Die ARM-Hardware läuft mit einem leicht angepassten Rockchip-Prozessor (RK3568B2) mit vier Cortex A55-Kernen und einer Taktfrequenz von knapp 2 GHz. Diese CPU bringt die Platine in die Liga des Raspberry 4, erreicht dessen Leistung aber nicht ganz (siehe Kasten „Mini-Benchmark“ auf der letzten Seite). Für den festverbauten LPDDR4-Arbeitsspeicher gibt es zwei Varianten der Platine mit vier oder acht GB RAM. Der Preisunterschied beträgt gut 20 Euro. Nach unserer Marktbeobachtung wurde die 8-GB-Variante am schnellsten ausverkauft und fordert derzeit auch die längeren Wartezeiten auf die nächsten Margen. Im Prinzip sollten für typische Serverrollen im Heimnetz aber auch vier GB RAM völlig ausreichen.

Für den Netzwerkanschluss ist ein Gigabit-Ethernet-Port vorhanden und zur Monitorausgabe ein HDMI-Anschluss. Für die sehr ordentliche bis gute Soundausgabe kann neben HDMI auch ein 3,5-Millimeter-Klinkenstecker dienen. Für Bastler und Industrieeinsatz kommt ferner noch ein DSI-Anschluss für einen kleinen LCD-Bildschirm hinzu. Ebenfalls für Bastlerprojekte kann eine Kamera über CSI angeschlossen werden. Auch die vom Raspberry bekannte 40-Pin-GPIO-Leiste ist verbaut.

Interessant für den Servereinsatz wird es bei den Anschlüssen für Datenträger: USB darf nicht fehlen und ist im Prinzip fünfmal vertreten – zweimal USB 3.0, zweimal USB 2.0 sowie ein Micro-USB-Anschluss (OTG). Der untere der beiden USB-3.0-Ports wird allerdings deaktiviert, falls der kleine OTG-Anschluss genutzt wird. Das ist kein großes Limit, aber man sollte dieses Detail nicht vergessen. Für an USB 3.0 angeschlossene Laufwerke gilt wie bei allen ähnlichen Platinen die Empfehlung, besser Datenträger mit eigener Stromversorgung anzuschließen. Zwei 2,5-Zoll-Laufwerke an USB und eventuell noch ein zusätzliches Sata-Laufwerk kann das Netzteil der Platine nicht stabil versorgen.

Das optionale Sata-Laufwerk versorgen die zwei Standardanschlüsse für das Daten- und das Stromkabel. Letzterer ist ein 5-Volt-Anschluss für 2,5-Zoll-HDDs oder SSDs. Eine große 3,5-Platte mit 12-Volt-Anschluss kann die Platine folglich nicht versorgen, diese müsste dann also mit externem Netzteil betrieben werden. Das von Hardkernel angebotene Sata-Montage-Set für circa 13 Euro umfasst nur die beiden Standardkabel und einen Hartplastik-„HDD-Holder“, um die Sata-Platte mit der Platine zu verschrauben. Das Zubehör ist verzichtbar, sofern Standardkabel vorliegen und der Datenträger nicht befestigt werden muss.

Für das Betriebssystem (oder Daten) gibt es neben dem üblichen Slot für eine Micro-SD-Karte und dem Sata-Laufwerk noch weitere Optionen: Es ist ein eMMC-Slot vorhanden (Embedded Multimedia Card) sowie ein Anschluss für ein SSD-Laufwerk vom Typ NVMe M.2. Letzteres muss eine PCIe-NVMe sein, eine NVMe mit Sata-Controller funktioniert dort nicht.

Odroid M1 mit NVMe-SSD im M.2-Slot: Es muss sich um eine PCIe-SSD handeln (Stichwort „M-Key“ oder „Key M“). Ebenfalls im M.2-Faktor erhältliche Sata-Laufwerke funktionieren nicht.
Odroid M1 mit montierter SSD: Das Montage-Set für etwa 13 Euro ist unter Umständen entbehrlich, wenn Sata-Standardkabel vorrätig sind. Das Standardgehäuse ist bei einem Sata-Einbau in jedem Fall überflüssig, weil es dafür keinen Platz bietet.

Wichtige Infos zur Systeminstallation

Auf https://wiki.odroid.com/odroid-m1/odroid-m1 gibt es bislang nur einige wenige Systemimages zum Download (siehe dort „os_images“), die dann mit einschlägigen Tools wie Etcher oder Gnome-Disks auf SD-Karte zu übertragen sind. Zum Redaktionsschluss war die Auswahl verfügbarer System noch sehr bescheiden und überdies unglücklich gewählt: Wer – naheliegend – die Hardware für Serveraufgaben nutzen will, wird nicht unbedingt zu Android 11 greifen. Ansonsten gibt es ein Ubuntu 20.04 ausgerechnet mit der anspruchsvollen Gnome-Oberfläche, die für die Hardware nicht angemessen erscheint. Zum Zeitpunkt des Produkttests erschien uns daher als einzig passende Wahl ein purer Ubuntu Server 20.04, auf den wir anschließend ein sparsames XFCE nachinstallierten. Die Zugangsdaten für fertige Odroid-Images lauten seit jeher „odroid“ mit Kennwort „odroid“.

Klassische Images auf https://wiki.odroid.com: Dieser Weg eignet sich nur für den Transport auf SD-Karte. Eine Installation auf Sata oder NVMe muss über das Minisystem Petitboot erfolgen.

Diese traditionelle Systembestückung für Platinenrechner ist aber auf SD-Karten (eventuell noch eMMC) beschränkt. Wer das System auf Sata oder NVMe installieren will, muss einen anderen Weg einschlagen. Und dieser Weg erweist sich insgesamt als der klügere, weil er ein sauberes System ohne „odroid“-Konto, eine größere Systemauswahl, eine individuelle Desktop-Auswahl und vor allem die freie Wahl des Systemdatenträgers eröffnet.

Beim Start der Platine (mit oder ohne installiertes Betriebssystem) meldet sich das integrierte Minimalsystem Petitboot, das einige wesentliche Systeminfos anzeigt und ferner eine Multiboot-Auswahl des Betriebssystems erlaubt (falls etwa auf SD, Sata und NVMe verschiedene Systeme bereitstehen). Entscheidender ist aber die Fähigkeit von Petitboot, Betriebssysteme über das Internet zu laden und zu installieren. Diese Fähigkeit wird bei Hardkernel- oder Vertreiber-Dokumentationen lapidar vorausgesetzt, ist aber bislang nirgendwo prominent dokumentiert.

Um die im Netz verfügbaren Systeme aufzulisten, müssen Sie in Petitboot zunächst die unterste Option „Exit to shell“ wählen und dann die folgenden zwei Befehle eingeben:

udhcpc
netboot_default

Der erste stellt die Verbindung zum Netzwerk sicher, der zweite setzt die Bootpriorität auf die Netzwerkinstallation. Nach „exit“ und Verlassen der Mini-Shell zeigt das Petitboot-Menü oben die verfügbaren Betriebssysteme. Dies sind mehr als die Downloadseite als traditionelle Images anbietet, allerdings ist von Kandidaten mit dem Hinweis „Work in Progress“ oder „Experimental“ eher abzuraten, da dies in unserem Fall prompt in einem fatalen Boothänger nach dem ersten Systemstart endete. Zum Zeitpunkt dieser Recherche waren nur Ubuntu 20.04 und Debian 10 als stabile Kandidaten erreichbar. Mindestens Ubuntu 22.04 und Debian 11 werden umgehend folgen.

Die weiteren Vorteile dieser Installationsweise sind offensichtlich: In den bekannten, textbasierten Installern von Ubuntu und Debian sorgen Sie vorab für eine saubere Lokalisierung des Systems, für ein individuelles Systemkonto und entscheiden gegen Ende der Installation im Tasksel-Dialog über Desktop und gewünschte Serverdienste (SSH, Apache). Für den Systemdatenträger gibt es beim Partitionierungsdialog kein Verbot – SD-Karte, NVMe-, Sata-, eMMC- oder auch USB-Laufwerke sind möglich.

Besser und flexibler als ein Image-Download: Im integrierten Odroid-Minimalsystem können Sie die Netboot-Option freischalten und dann das gewünschte System aus dem Internet beziehen.
Mit Petitboot gestarteter Netinstaller (hier Debian): Damit bringen Sie das Betriebssystem auf jedes beliebige Laufwerk, das an der Odroid-Platine angeschlossen ist.

Odroid M1: Praxis, Tipps und Einordnung

Die Platine arbeitet lüfterlos und somit absolut lautlos. Ähnlich dem Odroid N2 sitzt die gesamte Hardware auf einem großen passiven Kühlkörper, und nach Ausweis des Sensor-Tools des von uns genutzten XFCE-Desktops erreicht die Platine selbst bei Last kaum 40 Grad. Dies bestätigen auch eine haptische Kontrolle sowie der sehr niedrige Stromverbrauch: Wir messen etwa zwei Watt im Leerlauf und bringen den Odroid M1 selbst unter hoher Last nicht über 3,5 Watt Leistungsaufnahme – eventuelle mechanische Laufwerke oder Displays sind hier natürlich nicht eingerechnet.

Tipp zur Desktop-Wahl: Sofern man dem allzu anspruchsvollen Desktop Gnome aus dem Weg geht, arbeitet der Mini-Rechner mit einem XFCE, LXDE oder LXQT jederzeit auch mit grafischer Oberfläche flüssig. Selbst für einen Odroid M1 in reiner Serverrolle empfehlen wir die Installation eines Desktops, der dann per HDMI oder VNC neben der SSH-Fernwartung auch eine bequeme Oberfläche anbietet. Bei vier oder sogar acht GB RAM fällt der meist ungenutzte Desktop kaum ins Gewicht.

Tipp für Datenfreigaben: Mechanische Sata-HDDs, auch wenn sie ausschließlich als Datenfreigabe dienen, sollten unbedingt mit dem Standarddateisystem Ext4 formatiert werden. Das von Hardkernel früh angebotene Ubuntu 20.04 hat einen relativ betagten Kernel mit mäßiger NTFS-Unterstützung. Der Datendurchsatz kommt damit kaum über 30 bis 40 MB/s und liegt damit sogar unter den etwa 80 MB/s, die per USB angeschlossene Datenträger erreichen. Es wäre daher kontraproduktiv, die M1-Platine wegen der Sata-Schnittstelle zu erwerben und dann mit NTFS auszubremsen. SSDs am Sata-Port sind hingegen mit jedem beliebigen Dateisystem schnell genug, um im Gigabit-Netzwerk die Daten mit den maximalen 110 bis 120 MB/s auszuliefern.

Tipp zum Zubehör: Für den Odroid M1 gibt es ein hübsches, blaues Aluminiumgehäuse, das als Staubschutz prinzipiell zu empfehlen wäre. Es wird einfach auf die passende Rille des großen Kühlkörpers aufgeschoben und dann auf beiden Seiten mit Endabdeckungen verschraubt. Ganz zu Ende gedacht ist das nicht, weil sich das Gehäuse mit dem interessantesten Hardware-Angebot der Platine nicht verträgt: Ein Sata-Laufwerk bringen Sie nämlich nicht unter, wenn Sie das Gehäuse nutzen. Es ist nicht einmal möglich, die Sata-Kabel nach außen zu legen und das Laufwerk außerhalb zu nutzen, denn allein schon die eingesteckten Sata-Kabel machen es unmöglich, das Gehäuse auf die Platine zu schieben. Kurz: Wer vorhat, am Odroid M1 ein Sata-Laufwerk anzuschließen, kann sich den Kauf des Gehäuses von vornherein sparen.

Einordnung: Im Umfeld des Raspberry Pi 4 und den weiteren aktuellen Odroid-Platinen wird das Modell Odroid M1 aufgrund seiner Flexibilität mühelos seinen Platz finden. Daran lässt sich praktisch alles anschließen und einbauen, was man in der Schublade liegen hat. Da wird dann die kleine SSD, die für den Desktoprechner längst unterdimensioniert war, zum idealen Systemdatenträger. Als Datenserver garantiert die Platine jederzeit volle Gigabit-Leistung (120 MB/s), wenn die Daten auf einem Sata-Laufwerk liegen. Laufwerke an USB 3.0 liefern die Daten nicht schneller, aber auch nicht langsamer aus als beim Raspberry Pi 4 – also je nach Datengrößen mit 60 bis 90 MB/s.

Mini-Benchmark mit Raspberry und Odroid

Ein kleiner Vergleich mit der simplen arithmetischen Iteration

time $(i=0; while (( i < 9999999 )); do (( i ++ )); done)

auf etlichen Geräten ordnet die CPU-Leistung des neuen Odroid M1 ganz gut ein. Diese primitive Methode haben wir gewählt, weil auf den diversen Geräten mit diversen Betriebssystemen eine andere einheitliche Methode zu viel Aufwand erfordert hätte. Über die Aussagekraft des simplen Benchmarks lässt sich streiten, aber die Rangfolge deckt sich mit unserer praktischen Alltagserfahrung mit diesen Geräten. Der Raspberry Pi 4 liegt vor der neuen Odroid-Platine, deutlicher noch der Odroid N2 und der nicht mehr erhältliche Odroid H2. Der Fokus des neuen Raspberry-Konkurrenten Odroid M1 liegt eindeutig beim Angebot der Datenträgeranschlüsse, nicht bei der CPU-Leistung.