Moksha/Bodhi für Desktop-Abenteurer

Moksha, ehemals Enlightenment, ist genauso exotisch wie sein Name. Wer hier mit konservativen Erwartungen herangeht, wird sich verirren oder kapitulieren. Der Desktop ist aber schnell und hat neben exotischem Charme enorme Anpassungstiefe.

Moksha ist kein Desktop für Pragmatiker. Wer sein System schnell eingerichtet haben will und auf seine Software fokussiert ist, wird sich mit den minutiösen Einstellungen dieser Oberfläche nicht anfreunden. Zielgruppe sind vielmehr Nutzer, die Wert auf einen individualisierten Desktop legen und bereit sind, dafür auch einige Zeit zu investieren.
Bodhi Linux ist die einzige Distribution, die standardmäßig auf Moksha setzt. Der Desktop ist eine Abspaltung vom sehr ähnlichen Vorbild Enlightenment (oder schlicht „E“), der bis Version E17 in Bodhi Linux enthalten war. Nach der mangelhaften „E“-Version 18 haben die Bodhi-Entwickler experimentelle Funktionen aus „E“ entfernt und pflegen für ihre Distribution den solideren Fork Moksha weiter. Gegenstand dieses Artikels ist daher Bodhi Linux mit seiner angestammten Moksha-Oberfläche. Die meisten Aussagen sollten aber auch für Enlightenment gelten.

Motive für Moksha und Bodhi

Bodhi Linux spielt seit jeher in der Ökoliga der Linux-Distributionen und liefert für sehr alte Hardware sogar noch eine non-pae-Variante aus (für Rechner vor circa 2002). Das entscheidende Motiv für Moksha/Bodhi sollte das aber nicht mehr sein: Für schwache Hardware gibt es einfachere und solidere Distributionen. Außerdem ist Moksha modular aufgebaut – bei größter Sparsamkeit sollte das komplette System nach Anmeldung mit 150 MB auskommen. Sind jedoch alle Module aktiviert und einige Desktop-Elemente eingerichtet, liegt der Speicherbedarf schnell bei 250, 300 MB und mehr. Hauptmotive für Moksha/Bodhi sind daher eher andere Aspekte:
1. Bodhi ist ein Speed-Ubuntu: Beim Systemstart zur Anmeldung zählen wir auf schneller Hardware (mit SSD) gerade mal neun Sekunden. Mittelschwere Programme sind schneller eingabebereit als der Mausfinger von der Auslösetaste zurückkommt.

2. Moksha ist ganz Linux-untypisch eine komplett grafisch konfigurierbare Oberfläche. Wirklich jedes Detail ist über grafische Anpassungsdialoge per Maus zu erreichen. Das gelingt nicht überall konsistent, führt zu unzähligen kleingliedrigen Einstellungsfenstern, erspart aber jedes Editieren von Konfigurationsdateien.

3. Moksha ist ein extravaganter und äußerst liberaler Desktop. Der Benutzer kann über jedes Modul selbst entscheiden, ob er es überhaupt benötigt und wie sich ein gewähltes Element optisch und funktional verhalten soll. Dieser Desktop ist ein Gegenentwurf zu den simplifizierenden Oberflächen Gnome oder Unity.

Installation von Bodhi Linux

Die Auswahl der Bodhi-Varianten finden Sie auf www.bodhilinux.com/download: Neben der 32-Bit-Version liegt auch eine 64-Bit-Variante bereit. Bei beiden Architekturen können Sie sich jeweils für das „Standard Release“ oder das größere „AppPack Release“ entscheiden. Da die Bodhi-Entwickler beim „AppPack Release“ eher seltsame Entscheidungen treffen und auch hier Nachinstallationen unerlässlich sind, ist das kleinere „Standard Release“ die bessere Wahl. Das fünfte Bodhi „Legacy“ für alte non-pae-Hardware gibt es nur in der Standardausführung. Das Setup erledigt der bewährte Ubuntu-Installer Ubiquity.

 

Moksha-Schaltzentrale: Die Einstellungskonsole ist der Dreh- und Angelpunkt der Desktop-Konfiguration. Der Umfang lässt sich unter „Erweiterungen -> Module“ festlegen.

Erste Orientierung in Moksha

Bodhi Linux präsentiert standardmäßig eine Systemleiste, die sich hier „Shelf“ oder deutsch „Modulablage“ nennt. Die ist ab Start durchaus konservativ bestückt mit Startmenü, Favoritenbereich, Taskübersicht und einem Systray-ähnlichen Bereich. Im Grunde handelt es bei den „Shelves“ um Modulcontainer, die an beliebigen Bildschirmrändern beliebig mit „Modulen“ befüllt werden können.
Das Startmenü ist nicht nur über die Shelf-Leiste, sondern auch mit normalem (Links-) Klick auf eine freie Desktop-Stelle zu erreichen, während der Rechtsklick am Desktop eine Auswahl von Programmfavoriten anbietet, die Sie allerdings erst definieren müssen. Der Menüstart am Desktop bringt es wie bei Openbox/Bunsenlabs mit sich, dass der Desktop nicht als Dateiablage dienen kann.
Die Einstellungskonsole: Die entscheidende Konfigurationszentrale ist im Menü über „Einstellungen -> Einstellungskonsole“ zu erreichen („Settings -> Settings Panel“). Es handelt sich um einen internen Bestandteil des Moksha/Enlightenment-Desktops, der nicht als eigenes Programm vorliegt und daher nicht als Terminal-Kommando aufrufbar ist (einige fundamentale Einstellungen sind über den Terminalbefehl enlightenment_remote abrufbar). Die grafische Zentrale ziehen Sie am besten so breit, dass Sie oben alle Kategorien im Blick haben und damit einen ersten Überblick erhalten.

Spracheinstellung: Da die Oberfläche zunächst englischsprachig vorliegt und dieser Artikel ab dieser Stelle ausschließlich die deutschen Bezeichnungen verwenden wird, führt ein erster wesentlicher Gang nach „Language“. Sehr wahrscheinlich fehlt diese Kategorie noch, und dies ist erste Gelegenheit, den modularen Aufbau von Moksha kennenzulernen: Unter „Extensions -> Modules“ („Erweiterungen -> Module“) finden Sie die komplette Sammlung der verfügbaren Module, geordnet nach Kategorien. Das Sprachmodul findet sich unter „Settings“ und lässt sich mit Klick auf „Load“ aktivieren. Dies erweitert die Einstellungskonsole dann um den neuen Punkt „Language“, wo Sie die Oberfläche nach Deutsch umstellen. Bei besserer Kenntnis der Oberfläche können Sie später den Punkt „Erweiterungen -> Module“ der Einstellungskonsole aufsuchen, um detailliert weitere Module zu aktivieren oder auch auszumisten.

Profile: Ein wichtiger Verwaltungspunkt in der Einstellungskonsole sind die „Einstellungen“ mit dem Unterpunkt „Profile“. Hier ist es nämlich möglich, den gerade aktuellen Desktop über „Hinzufügen“ als neues Profil zu speichern. Außerdem liegen die Standardprofile „Bodhi Linux“ und „Default“ vor, auf die Sie durch Markieren und „Übernehmen“ jederzeit zurückkehren können. Die Gefahr, sich in Moksha zu verlaufen, ist nicht gering, daher ist die einfache Rückkehr auf bewährte Profile eine wichtige Absicherung.
Fundamente der Optik richten Sie in der ersten Kategorie „Aussehen“ ein. Während „Thema“ die Moksha-eigenen Dialoge und die Fenstertitel betrifft, ändert „Anwendungsthema“ das Aussehen von Programmen, die auf GTK basieren. Ein wichtiger Unterpunkt ist hier ferner die „Skalierung“, die alle Moksha-Fenster stufenlos in der gewünschten Größe einstellt.

Programmstarter: In der zweiten Kategorie „Anwendungen“ lohnt es sich, „Bevorzugte Anwendungen“ zu definieren, sofern Sie am Desktop das Rechtsklick-Menü verwenden wollen. Dazu markieren Sie in der angebotenen Liste das betreffende Programm und klicken auf „Hinzufügen“.
Der nachfolgende Punkt „iBar-Anwendungen“ (unter „Anwendungen“) ist nur dann relevant, wenn Sie in einer Systemleiste („Shelf“) das Modul iBar tatsächlich verwenden – es handelt sich ebenfalls um einen Favoritenstarter. Das Modul iBar ist ein Beispiel für die zum Teil konfuse Komplexität des Desktops: Das Modul muss unter „Erweiterungen -> Module“ aktiviert sein, und es muss unter „Erweiterungen -> Modulablagen -> Inhalte“ in eine Modulablage (Shelf) integriert werden. Konfiguriert und bestückt wird es aber nicht an Ort und Stelle in der Leiste, sondern unter „Anwendungen -> iBar-Anwendungen“.

Arbeitsflächen: Weitere wichtige Einstellungen finden Sie in der Einstellungskonsole unter „Bildschirm“ mit den Arbeitsflächenoptionen: Moksha erlaubt Linux-üblich beliebig viele virtuelle Desktops und kann diese attraktiv mit je eigenen Hintergrundbildern ausstatten und beim Wechsel Übergangseffekte anzeigen. Beim Einsatz des „Arbeitsflächenumschalters“, der als Modul in einer Systemleiste oder solo als „Helfer“ am Desktop realisiert werden kann, können Sie Programmfenster einfach mit der Maus von einer Arbeitsfläche zur anderen ziehen. Diese Funktion ist komfortabel, wenn die verkleinerte Desktop-Darstellung im Arbeitsflächenumschalter nicht zu mikroskopisch, als der Umschalter eher groß ausfällt.
Maus und Tastatur: Unter „Eingabe“ gibt es als „Kantenbelegungen“ das, was andere Desktops „Aktive Ecken“ nennen. Jedoch bietet Moksha hier ungleich mehr an Fenster- oder Programmaktionen an als jeder andere Desktop. Ähnlich uneingeschränkt lassen sich unter „Eingabe“ die Maus und Tastatur minutiös einrichten. Allein die Durchsicht der voreingestellten Möglichkeiten dürfte überraschen: Dass man etwa jedes Fenster mit Alt-Taste plus Mausradklick skalieren kann, ohne in eine Fensterecke fummeln zu müssen, bedeutet wie vieles Weitere echten Komfort.

Moksha-Elemente: Hier arbeiten drei Modulablagen, eine iBar-Favoritenleiste (links), ein Desktop-Umschalter (unten), eine weitere Leiste links. Die Prozessliste und die Laufwerksanzeige sind als „Helfer“ realisiert. Das Hauptmenü ist immer erreichbar und startet hier die Einstellungskonsole.

Leisten und „Helfer“ optimieren

Neben dem Hauptmenü sind Leisten („Modulablagen“) und Desktop-Gadgets („Helfer“) die prägenden Elemente. Eine Leiste kann viele Module aufnehmen, ein „Helfer“ ist ein einzelnes Modul am Desktop. Die Module sind aber hier und dort dieselben. Angebot und Anzahl hängt, wie beschrieben, davon ab, was in der Einstellungskonsole unter „Erweiterungen -> Module“ aktiviert ist.
„Modulablagen“ (Leisten): Wenn Sie eine bestehende Leiste rechts anklicken, erscheint unter anderem die Option „Shelf…“ (sofern Sie der Leiste bislang keinen eigenen Namen gegeben haben). Hier kommen Sie dann über „Inhalte“ an die Module und können aktuell enthaltene (farbiges Symbol) entfernen oder inaktive (graues Symbol) zur Leiste hinzufügen. Auf demselben Weg kommen statt an die „Inhalte“ an die „Einstellungen“ der Leiste, wo sich Position, Größe und Optik ändern lassen. Bei der Position am Bildschirmrand sind nicht weniger als 12 Möglichkeiten vorgesehen. Außerdem gibt es natürlich Optionen zum automatischen Verbergen der Leisten. Wenn eine Modulablage mehrere Module enthält, gibt es nach Rechtsklick außerdem die Möglichkeit, die Einzelteile innerhalb der Leiste zu verschieben. Das funktioniert dann per Drag & Drop, ist aber mitunter fummelig. Das Verschieben von Leistenmodulen ist die einzige Aktion, die Sie direkt an der Leiste auslösen müssen, alles andere ist auch zentral über die Einstellungskonsole unter „Erweiterungen -> Modulablagen“ zu erreichen.
„Helfer“ (Gadgets): Ein einzelnes Modul am Desktop definieren Sie in der Einstellungskonsole unter „Erweiterungen -> Helfer -> Ebenen -> Hintergrund“. Das neue Desktop-Modul kann danach am Desktop verschoben und skaliert werden. Dies funktioniert später auch jederzeit nach Rechtsklick auf das Modul, Klick auf den Modulnamen und „Einstellungen“. Ein Helfer hat gegenüber einer Modulablage mit nur einem Modul nur den einen Vorteil, dass er beliebig positionierbar ist.

Komplexe Leistenanpassung: Um die Modulablage selbst und nicht etwa nur ein Modul anzupassen, müssen Sie nach Rechtsklick den blau-roten Eintrag wählen.
Moksha-Fensteroptionen: Hier ist alles drin, was technisch geht. In jedem Fall nützlich ist das „Erinnern“ von Größe und Position.

Weitere Spezialitäten in Moksha und Bodhi

Fensterposition: Moksha hat deutlich mehr Fensterfunktionen als andere Desktops – unter anderem auch eine Erinnerungsfunktion für Programmfenster. Nach Rechtsklick auf die Titelleiste eines Fensters können Sie über „Fenster -> Erinnern“ die aktuelle Größe und Position für alle künftigen Programmstarts festlegen.
Screenshots: Unter Moksha zeigt jedes Programmfenster die Option „Foto machen“. Dadurch entsteht ein Screenshot des jeweiligen Fensters. Im Hauptmenü gibt es standardmäßig die Option „Bildschirmfoto machen“, die ein Desktop-Vollbild erstellt. Feinheiten hierzu bietet die Einstellungskonsole unter „Erweiterungen -> Screenshot Settings“.
Terminal: „Terminology“ ist speziell wie vieles unter Bodhi. Es entspricht zwar in den Grundfunktionen dem Gnome-Terminal, hält aber elegante Spezialitäten bereit, die sich nach Rechtsklick automatisch einblenden. Mit Split-Funktionen, Kopieren und Einfügen per Mausklick wird der Terminal-Komfort deutlich erhöht. Unter „Einstellungen“ gibt es weitere Raffinessen wie Hintergrundbilder.
Everything: Dieses Tool ist ein Programmstarter mit Kategorien, kann aber auch durch Verzeichnisse navigieren oder Bilder anzeigen. Hilfreich ist das Tool auch durch seine Optionen „Fenster“ und „Einstellungen“. Dies bietet alternativen Zugriff auf die laufenden Tasks und die Optionen der Moksha-Einstellungskonsole.

Exzellentes Terminal: „Terminology“ hat auf Rechtsklick sehr komfortable Funktionen parat. Einige schrille Optionen sind Geschmackssache.

 

Moksha und Bodhi Linux

Das aktuelle Bodhi Linux 4.1.0 nutzt als Systembasis Ubuntu 16.04.1 LTS. Die Distribution definiert sich in erster Linie durch die Moksha-Oberfläche 0.2.1 und eine zunächst eher spartanische Software-Ausstattung. Als Paketverwaltung dienen vorzugweise Synaptic oder apt im Terminal, während das alternative „Bodhi AppCenter“ eher abfällt. Bodhi Linux ist in der 32-Bit-Variante bootfähig auf Heft-DVD.

Projektseite: www.bodhilinux.com

Download: https://sourceforge.net/projects/bodhilinux

Infos: www.bodhilinux.com/w/wiki
https://wiki.archlinux.org/index.php/Enlightenment
www.enlightenment.org

Pro und Contra

Bodhi mit Moksha ist sparsam und frappierend schnell. Und wer die Zeit investiert, schafft sich mit Moksha ein absolutes Desktop-Unikat – nicht nur optisch, sondern auch in der Bedienung. Das muss man sich aber erarbeiten: Ausufernde Aktionslisten etwa bei Tastatur- und Mausbelegungen nötigen zu langer Suche. In der Einstellungskonsole stehen fundamentale und marginale Optionen ohne rechte Gewichtung nebeneinander. Die Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig ist daher ein mühsamer Lernprozess. In den Anpassungsdialogen wird wenig erklärt und Wissen und Terminologie vorausgesetzt. Daneben gibt es auch kleinere technische Mängel: Manche kleine Moksha-Dialoge lassen sich nicht skalieren und geraten dadurch unübersichtlich. Nicht im Benutzeralltag, aber bei intensiver Konfigurationstätigkeit mit Einstellungskonsole und Leisten ist auch gelegentlich ein Moksha-Absturz im Repertoire, was sich am sanftesten in der virtuellen Konsole (Strg-Alt-F1) mit sudo pkill lightdm beantworten lässt. Moksha ist ein Abenteuer.