Android – das ist ja eigentlich das Linux für Smartphone und Tablets. Aber bei passender Zielgruppe kann sich Android als ideale Lösung für PCs, Notebooks und Netbooks entpuppen. Mit der Portierung Android-x86 liegt ein System für solche Zielgeräte vor. Wo es sich eignet, lesen Sie hier.
Android-x86 für Intel- und AMD-Rechner besitzt zwei Eigenschaften, die es für bestimmte Szenarien attraktiv machen: Es ist erstens Hardware-technisch relativ anspruchslos und läuft auch auf älterer und schwächerer Hardware. Es hat zweitens mit dem Google Play Store eine einfache und relativ sichere Software-Quelle und vor allem ein simples Bedienkonzept, dessen Hauptelemente Sie jedem Anfänger und Einsteiger schnell erklärt haben. Die Nachteile und Einschränkungen sind aber auch deutlich: Ein Android-System ist auf rezeptive Ansprüche ausgerichtet – Surfen, Mails abholen, E-Books lesen, Musik hören. Mails oder Notizen zu verfassen, ist sicher auch kein Problem, aber für richtig produktives Arbeiten taugt es nur bedingt. Android-x86 ist daher genau dort die richtige Wahl, wo ein Rechner technisch Unbedarften den Zugang zu Internet, Mail und Medien bereitstellen soll. Und die Android-Ausrichtung auf kleine Displays prädestiniert das System noch einmal in besonderer Weise für Netbooks und Notebooks.
Android-x86 auf USB-Stick oder SD-Karte
Auf der Seite www.android-x86.org/download gibt es aktuell folgende Versionen:
Android-x86 4.4 (android-x86-4.4-r5.iso) ist die stabile Version, die wir aufgrund des geringen Speicherbedarfs als beste Wahl einschätzen. Dieser Artikel bezieht sich überwiegend auf Version 4.4.
Android-x86 5.1 (android-x86-5.1-rc1.iso) ist als RC1 noch „Release Candidate“ und daher noch in der Entwicklung. Die überschaubaren optischen und funktionalen Vorteile dieser Version können die Nachteile insbesondere beim Speicherbedarf nicht aufwiegen.
Für ganz Experimentierfreudige gibt es unter www.fosshub.com/Android-x86.html auch noch eine Vorversion 6.0, die ausdrücklich mit „for testing“ gekennzeichnet ist.
Nach dem Download des nur circa 440 MB großen ISO-Images schreiben Sie das System zunächst bootfähig auf USB-Stick oder SD-Karte. Unter Windows ist der Win 32 Disk Imager das geeignete Tool (auf Heft-DVD), unter Linux das Kommandozeilen-Tool dd:
dd if=android-x86-4.4-r5.iso of=/dev/sdb
Wie immer in solchen Fällen ist bei der Angabe des Zielgeräts (hier im Beispiel „sdb“) beziehungsweise bei der „Device“-Angabe beim Win 32 Diskimager hundertprozentige Gewissheit erforderlich, das richtige Medium zu beschreiben.
Nach dem Booten vom Flash-Medium erscheint ein Bootmenü mit vier Optionen, die erste und vierte davon sind wesentlich:
„Run Android-x86 without installation“ bedeutet einen Testlauf im Live-System. Der kann nicht schaden, weil Sie hier empirisch feststellen, ob Android-x86 auf dem genutzten Gerät die komplette Hardware erkennt (WLAN-Adapter, Kamera, USB-Peripherie, Funktionstasten, Energiesparfunktionen). Außerdem erhalten Sie einen Eindruck von Bedienung und Optik. Etwas umständlich ist der Live-Modus jedoch deshalb, weil Sie diverse Voreinstellungen treffen müssen (Sprache, WLAN, Google-Konto), obwohl diese nur temporär für diese Sitzung gelten. Wer noch vor einem Testlauf im Live-System sichergehen will, ob das gewünschte Zielgerät für Android-x86 in Betracht kommt, kann sich auch unter www.android-x86.org/hardware-list informieren. In der realen Welt dürften aber deutlich mehr als die hier angezeigten Netbooks und Notebooks problemlos oder mit tolerierbaren Detailmängeln unter Android-x86 laufen.
„Install Android-x86 to harddisk“ installiert das System auf eine Festplatte oder ein Flashmedium. Im englischsprachigen Textinstaller erscheinen die verfügbaren Partitionen zur Auswahl, die erste Festplatte als „sda“. Für den Fall, dass die Partitionsverhältnisse erst eingerichtet werden müssen, gibt es mit „Create/Modify partitions“ den einfachen, textbasierten Partitionsmanager cfdisk. Der reicht aus, um Partitionen zu löschen und neu anzulegen. Wenn Sie Partitionsgrößen ändern müssen, erledigen Sie das besser vorab mit einem Linux-Live-System und dem Tool Gparted.
Anschließend erfolgt die Abfrage des Dateisystems, wobei neben ext2/3/4 auch „ntfs“ oder fat32″ möglich sind. Die Frage, ob GRUB installiert werden soll, sollte man unbedingt bejahen, um das Zielmedium bootfähig zu machen.
Die Kopie des kleinen Systems auf den Zieldatenträger ist schnell erledigt, und nach der Schlussmeldung „Run Android-x86“ oder „Reboot“ kann das Installationsmedium entnommen werden. Nun erfolgt die eigentliche Einrichtung, zunächst die Auswahl der Systemsprache, die Sie – nicht ganz offensichtlich – durch die Cursor-Taste nach oben auf „Deutsch (Deutschland)“ umstellen können. Danach geht es unter anderem um dem Zugang zum Standard-WLAN und die Angabe des Google-Kontos. Dabei ist nur die persönliche Adresse erforderlich – also ohne „@googlemail.com“ oder „@gmail.com“, das nach Sprung in nächste Eingabefeld automatisch ergänzt wird. Diese Info ist nicht ganz überflüssig, da Sie an dieser Stelle noch mit englischem Tastaturlayout arbeiten und die Suche nach dem @-Zeichen eine lästige, aber völlig unnötige Bremse bedeuten kann.
Die Anmeldung bei Google ist unbedingt zu empfehlen, weil nur so der Zugang zum Google Play Store offensteht. Wenn mit dem Google-Konto bereits ein weiteres Gerät verknüpft ist (also ein Android-Smartphone oder Tablet), dann werden automatisch alle dort eingerichteten Apps auch auf dem x86-Gerät installiert. Das kann praktisch sein, aber eventuell auch lästig, falls das Zielgerät andere Apps nutzen soll. Die Synchronisierung zahlreicher Apps wird Android erst einmal einige Minuten voll beschäftigen und auslasten. Am besten warten Sie mit der weiteren Einrichtung ab, bis diese Aktion abgeschlossen ist.
Hardware und Leistung
Android-x86 ist auf älterer Hardware kein Schnell-Booter. Der Start dauert auf unserem EEE-Netbook mit Atom-CPU gut 50 Sekunden, was aber kein Hinweis auf einen zähen Benutzeralltag ist. Einmal gestartet, verhält sich das System auch bei bescheidener Hardware jederzeit performant. Einzige Ausnahme ist der schon erwähnte Synchronisierungsvorgang bei der Ersteinrichtung, wenn zahlreiche Apps gemäß der Ausstattung eines anderen Android-Geräts installiert werden.
Beim älteren Android 4.4-r5 liegt die Speicherauslastung für das pure System bei nur etwa 200 MB. Dies sind die angezeigten Werte auf einem Netbook mit 1 GB RAM, auf einem Notebook mit 4 GB RAM nimmt es sich mit 250 bis 300 MB etwas mehr (gemessen mit dem „System Monitor Lite“ von Christian Göllner). Das ist weit weniger als jedes Windows-System fordert, die Werte sind aber auch mit Linux-Systemen kaum zu unterbieten.
Das jüngere Android-x86 5.1-rc1 belegt circa 470 MB bei installiertem 1 GB RAM. Die Differenz zur Vorgängerversion fällt damit so gravierend aus, dass wir auf Zielgeräten mit nur einem GB RAM (wie typischerweise Netbooks) die ältere Version 4.4-r5 empfehlen.
Bei verkabelten wie auch kabellosen Netzwerkverbindungen hat Android-x86 keine Schwierigkeiten, solange es sich bei den WLAN-Adaptern um integrierte Netbook- und Notebook-Chips handelt. Heikler dürften, wie bei Linux generell, externe WLAN-Empfänger am USB-Anschluss sein.
Angeschlossene USB-Geräte werden problemlos erkannt. Das gilt für optionale Eingabeperipherie wie Mäuse ebenso wie für USB-Festplatten oder Sticks. Bei Datenspeichern erfolgt aber keine automatische Benachrichtigung: Sie finden die Medien dann in der Navigationspalte des Standard-Dateimanagers oder im stets zu empfehlenden Total Commander für Android unter „USB“.
Die speziellen Funktionstasten zur Helligkeits- und Lautstärkesteuerung von Netbooks und Notebooks arbeiten erstaunlich gut unter Android-x86, aber mit der einen oder anderen Fehlfunktion ist immer wieder mal zu rechnen. Hier muss dann gegebenenfalls eine passende App aushelfen.
Wer sich für Android auf einem größeren Monitor entscheidet, muss sich im Klaren sein, dass er hier mit Apps im Vollbildmodus arbeiten wird, die auf kleine Tablet- und Smartphone-Displays optimiert sind. Android hat nur bescheidene Möglichkeiten, die Smartphone-GUI auf Monitor-Dimensionen zu trimmen: Unter „Einstellungen -> Display -> Schriftgröße“ hilft die Einstellung „klein“ ein Stück, ändert aber nichts daran, dass manche Vollbild-App ins Auge bombt.
Zum Herunterfahren des Systems tippen Sie den Power-Knopf des Geräts zweimal kurz an. Dann erscheint das Android-Popupfenster mit mehreren Optionen wie „Herunterfahren“ oder „Neustarten“, das nach Mausklick den gewählten Job erledigt. Diese Methode ist auf Netbooks und Notebooks die einfachste. Ob bei dieser Methode auch PCs mitspielen, haben wir nicht getestet. Bei der älteren Version 4.4-r5 funktioniert aber auch der Klick auf das Datum oben rechts und dort die Option „Herunterfahren“. Und nicht zuletzt gibt es wieder diverse Shutdown-Apps im Google Store.
Bedienung und Anpassung
Die Systemsprache lässt sich schon bei der Installation auf Deutsch setzen. Das Tastaturlayout bleibt danach allerdings weiter Englisch. Dies ist unter „Einstellungen -> Sprache & Eingabe -> Tastatur & Eingabemethoden“ zu korrigieren. Als eine weitere der allerersten Einstellungen (unter „Einstellungen -> Display“) sollten Sie das automatische Drehen der Anzeige abstellen: Auf Geräten ohne Lagesensor bereitet es erhebliche Probleme, ein gedrehtes Display wieder in die horizontale Standardlage zu bringen. Früher oder später wird das kleine Malheur in jedem Fall geschehen, da manche App ohne Rücksicht auf eine gewünschte Standardausrichtung den Bildschirm dreht. Meist hilft es, diese App über die Taskliste (rechter „Recents“-Button) zu beenden, um dadurch automatisch wieder zur Standardanzeige zurückzukehren. Besorgen Sie sich dennoch vorsorglich eine spezielle App wie „Rotation Control“ aus dem Google Store, mit der Sie bequem die Ausrichtung korrigieren können.
Die wesentlichen Aktionen erfolgen über den linken „Zurück“-Button, mittigen „Home“-Button und rechten „Recents“-Button. Dies ist einfach genug, wird aber mit physischer Tastatur noch einfacher, weil auch die Tasten Esc, Windows und die Kontextmenü-Taste (neben der rechten Strg-Taste) dieselben Funktionen erfüllen. Und statt dem Wischen auf dem Touchscreen hilft hier die gedrückte Maustaste und Ziehen in die gewünschte Richtung, je nach App funktioniert auch das Scrollen mit dem Mausrad.
Die Anpassung von Android-x86 folgt den Regeln eines Android auf ARM-Architektur. Längerer Klick auf eine freie Stelle des Home-Bildschirms eröffnet die Möglichkeit, das Hintergrundbild zu ändern oder Widgets auf dem Home-Bildschirm zu platzieren. Apps in der Gesamtliste können durch längerem Mausklick markiert und danach auf den Home-Bildschirm gezogen werden. Sammelordner am Home-Screen entstehen durch Drag & Drop bereits vorhandener App-Icons aufeinander.
Den Task-Wechsel und das Beenden von Apps erledigen Sie über den rechten „Recents“-Button: In der älteren Version 4.4 ziehen Sie dort eine App aus dem Bildschirm, um sie zu beenden. Im jüngeren 5.1 warten Sie kurz, bis alle Apps das Schließen-Symbol („x“) anzeigen. Sie lassen sich dann per Klick auf dieses Control beenden.
Android-x86 ist ohne nähere Konfiguration ein Einbenutzersystem ohne Anmeldung und startet ungeschützt zum Desktop. Eine Authentifizierung lässt sich über „Einstellungen -> Sicherheit -> Display-Sperre wählen“ einrichten. Über „Einstellungen -> Nutzer“ können Sie auch weitere Konten und damit ein Mehrbenutzersystem konfigurieren.
Remix OS: Aufgebohrtes Android-x86
Android ist ein schlankes System für Smartphones und Tablets, die Portierung Android-x86 eine attraktive Alternative für Netbooks und Notebooks. Das ist aber früheren Google-Mitarbeitern längst nicht genug, die sich unter dem Firmennamen Jide Technology zusammengetan haben: Als Remix OS soll Android-x86 den PC-Desktop generell erobern. Auf der Projektseite www.jide.com können Sie sich über Remix OS informieren, Downloads der 32- und 64-Bit-Varianten gibt es unter www.jide.com/remixos-for-pc#downloadNow. Das Zip-Archiv hat je nach Ausführung bis zu 717 MB, beim Extrahieren entsteht das ISO-Image mit circa 2,5 GB, ferner eine ausführbare Datei (Remixos-installation-tool-B2016030102.exe) für die Einrichtung unter Windows.
Wer kein Windows-System verwendet, kann das ISO-Image einfach mit dem Kommandozeilen-Tool dd auf einen USB-Stick schreiben. Beim Einsatz von Remix OS auf USB kommt nur USB 3.0 in Betracht. Bei langsameren 2.0-Medien oder 2.0-Ports am Gerät startet das System erfahrungsgemäß nicht, bringt aber keine Fehlermeldungen, sondern bearbeitet das Medium in Endlosschleife.
Da es im Live-System (Option „Guest mode“ beim Booten) keinen Installer gibt, macht es etwas Mühe, Remix OS auf eine Festplatte zu bringen. Einfach geht das nur, wenn auf dem Gerät ein Windows vorliegt und das genannte Windows-Tool genutzt werden kann. Ist kein Windows vorhanden oder soll dieses durch Remix OS ersetzt werden, dann helfen zwei USB-Sticks – der eine mit dem ISO-Image von Remix OS, der zweite mit einem beliebigen Linux-Live-System. Mit dd im Live-System schreiben Sie dann das ISO-Image auf die Festplatte des Zielgeräts.
Remix OS hat inzwischen zwar bereits Versionsnummer 2.0, bezeichnet sich aber immer noch als „Beta Version“ – mit gutem Grund: Der Systemstart ist sehr zäh, die Einstellung der deutschen Oberfläche führt zu einem gemischtsprachigen System (Deutsch-Englisch), und das Keyboardlayout bleibt komplett Englisch. Mit Hängern und App-Abstürzen muss man jederzeit rechnen, und nicht zuletzt fehlt diesem Android-x86 der Google Play Store. Im Prinzip lassen sich die unentbehrlichen Google Services (inklusive Google Play Store) einbauen, indem Sie das Android Package GMSActivator.apk manuell herunterladen und unter Remix OS installieren. Dafür muss unter „Einstellungen -> Sicherheit -> Unbekannte Herkunft“ die Installation aus Fremdquellen erlaubt werden. Wir hatten danach allerdings erhebliche Probleme inklusive Abstürze bei der Benutzung von Google Play. Eine Alternative sind noch seriöse APK-Quellen wie www.apkmirror.com, wo Sie Android-Pakete downloaden können, um sie anschließend manuell zu installieren.
Das Konzept von Remix OS ist offensichtlich: Mit Startmenü, Taskleiste und skalierbaren App-Fenstern wird aus Android ein echter Multitasking-Desktop. Damit gehen Android aber alle Merkmale verloren, die es für spezielle Einsatzgebiete interessant machen: Der Speicherbedarf des Systems liegt weit über einem GB und die GUI-Bedienung ist weit entfernt vom simplen Android-Konzept (wenn auch nicht wirklich kompliziert). Somit hinterlässt dieses Projekt etwas Rätselraten, denn Desktop-Systeme auf Linux-Basis gibt es genug – besser, ökonomischer und mit großem Software-Angebot.